Jugendgewalt in Berlin: Erstmals Sheriffs in der Schule

Im Berliner Bezirk Neukölln stehen ab Montag private Wachschützer vor den Schulen. Der Bürgermeister behauptet, anders sei die Unversehrtheit der Schüler nicht zu garantieren

Sieht Privatschutz als letzte Lösung: Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky Bild: ap

BERLIN taz Die Aktion ist deutschlandweit einzigartig. Und sie ist heftig umstritten. Von Montag an stehen private Wachschützer an 13 Schulen im Berliner Stadtteil Neukölln, darunter drei Grundschulen. Ihre Hauptaufgabe: Aufpassen, dass keine "Schulfremden" auf das Gelände gelangen, um Schüler und Lehrer anzupöbeln. Oder sie gar zu verprügeln.

Durchgesetzt hat die Pläne Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) - gegen heftigen Widerstand in der Landespolitik und unter Experten. Seit den Vorfällen an der Rütli-Schule, die seinen Stadtteil bundesweit zum Synonym für einen Problembezirk haben werden lassen, hat sich Buschkowsky medienwirksam für schärfere Sicherheitsmaßnahmen stark gemacht. Nun kriegt er sie. "Der Schritt ist unausweichlich", sagt Buschkowsky. "Wir können den Eltern sonst den Schutz und die Sicherheit ihrer Kinder nicht mehr garantieren."

56 Gewalttaten, bei denen die Täter von außen an die Schulen kamen, hat es nach Angaben der Bezirksregierung allein in den letzten zwei Jahren gegeben. Für Aufsehen sorgte zuletzt ein Fall im Juni, als ein 17-Jähriger einen Lehrer auf dem Schulhof niederschlug und schwer verletzte, weil dieser sich in einen Streit eingemischt hatte.

Gegenwind bekommt Buschkowsky von der Landespolitik. "Paramilitärische Einheiten" seien der falsche Weg, hält Innensenator Ehrhart Körting seinem Parteigenossen entgegen. "Ich glaube nicht, dass ein Wachschutz vor Schulen eine Lösung des Problems Gewalt in Schulen ist", sagt Schulsenator Jürgen Zöllner, ebenfalls Sozialdemokrat. Die Dussmann-Gruppe, die zunächst den Auftrag für den Wachschutzeinsatz erhalten hatte, zog ihre Zusage im Oktober zurück. Begründung: Es mangele dem Vorhaben an Akzeptanz in der Regierung.

Den Auftrag übernimmt nun die Bielefelder Sicherheitsfirma Germania, die nach eigenen Angaben auch Gebäude von Mercedes-Benz, der Bundesagentur für Arbeit und der Bundesregierung bewacht. In Zweierteams werden die Wachschützer an den Schulen stehen. Waffen sind tabu, erkennbar sind die Sheriffs an ihrem schwarz-blauen Firmenoutfit und einem Namensschild. Viertägige Crashkurse in Deeskalation haben die Sicherheitsleute auf ihren Einsatz vorbereitet. Einige von ihnen sprechen Arabisch, Türkisch, Russisch oder Polnisch. "Das kann sinnvoll sein, falls wir mal einschreiten müssen", sagte Germania-Chef Klaus Hübner der taz. Laut Hübner werden seine Mitarbeiter an manchen Schulen nicht nur an der Pforte aufpassen, sondern auch auf den Schulfluren patrouillieren. Einen Pausenraum bekommen sie auch. "Unsere Mitarbeiter sollen ein integraler Bestandteil der Schule sein und ein Vertrauensverhältnis mit den Schülern aufbauen", sagte Hübner.

Experten bezweifeln allerdings, dass private Sheriffs für die Aufgabe geeignet sind. Hier werde "Feuer mit Feuer bekämpft", sagt der Berliner Kriminologe Frank Robertz. Anstatt in "scheinbare Sicherheitsmaßnahmen durch pädagogisch unausgebildete Wachmänner" zu investieren, solle bei der Gewaltprävention auf Fachleute wie Psychologen oder speziell geschulte Jugendpolizisten gesetzt werden.

Die Bevölkerung allerdings bewertet die Aktion anders. 70 Prozent der Berliner finden es laut einer Forsa-Umfrage richtig, dass private Wachschützer die Neuköllner Schulen bewachen. Und auch die beteiligten Schulen stehen zu der Aktion. Schließlich haben LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern gemeinsam den Entschluss gefasst.

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