Schonvermögen als Klientel-Politik: Geschenke fürs Hochprekariat

Die FDP bedient ihre Klientel. Mit der Erhöhung des "Schonvermögens" für Arbeitslosengeld-II-Empfänger soll die Absturzangst der Mittelschicht gemildert werden.

FDP-Chef Guido Westerwelle will mit dem Beschluss seine Wähler beruhigen. Bild: ap

Schon bemerkenswert, wie plötzlich der Schutz von kleinen Vermögen ganz oben auf die politische Agenda aller Parteien rutschte. Dass allen voran die Freidemokraten sich für ein höheres Schonvermögen für die Empfänger von Arbeitslosengeld II einsetzten und jetzt mit der Union neue Freigrenzen vereinbarten, zeigt eines: Das Mildern von Absturzsorgen der Mittelschicht ist in den Fokus der Politik gerückt.

Nach dem Beschluss der schwarz-gelben Koalition sollen für Bezieher von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") künftig 750 Euro pro Lebensjahr an Schonvermögen frei bleiben, wenn dieses der Altersvorsorge dient. Ein 50-Jähriger könnte also 37.500 Euro in einer privaten Renten- oder Lebensversicherung behalten, wenn der Auszahlungstermin erst für den Beginn des gesetzlichen Ruhestands vereinbart ist. Ein 50-jähriges Paar im Bezug von Hartz IV hätte immerhin einen Freibetrag von 75.000 Euro an Vermögen für die Altersvorsorge. Dabei kann auch ein Wertpapierdepot vor einem Antrag auf Arbeitslosengeld II noch schnell in eine Altersvorsorge mit späterem Auszahlungsbeginn umgewandelt werden, um so die Freigrenzen zu wahren.

Die Summe, die an Riester-Rente schon angespart ist, wird grundsätzlich nicht auf Hartz IV angerechnet. Hinzu kommt - wie bisher auch - ein Freibetrag von 150 Euro pro Lebensjahr an frei verfügbarem Geldvermögen, der 50-Jährige darf also auch noch 7.500 Euro auf dem Bankkonto haben. Außerdem gilt: Wohnt er im eigenen Haus, so braucht er dies nicht zu verkaufen, auch wenn es sich um eine größere Immobilie handelt. Bisher galt etwa für ein Paar eine "Angemessenheitsgrenze" von 90 Quadratmetern Wohnfläche im Haus. War das Eigenheim größer, mussten die Eheleute unter Umständen verkaufen, wenn sie in den Hartz-IV-Bezug rutschten. Diese Sorge fällt nun weg.

Das liest sich gut für den oder die Kleinvermögende in prekären Verhältnissen. Aber es gibt wichtige Nebenaspekte. Eine Erbschaft, beispielsweise, die zufließt, während sich eine Person im Bezug von Arbeitslosengeld II befindet, wird nach wie vor als Einkommen mit der Sozialleistung verrechnet. Zu dieser Frage ist ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig, das aber wohl erst nächstes Jahr entschieden wird.

Die neue Erhöhung durch Schwarz-Gelb betrifft vor allem Schonvermögen zur Altersvorsorge. Das bedeutet, dass man etwa vor dem 65. Lebensjahr keinen Zugriff darauf hat, auch wenn schon viel früher teure Zahnkronen anstehen.

Man kann eine Privatrente zwar wieder auflösen, wenn man nicht mehr Arbeitslosengeld II bezieht. Davon raten Finanzexperten allerdings ab, weil der vorzeitige Rückkauf aufgrund der Provisionen und Gebühren mit Verlusten verbunden ist. Die neuen Regelungen stützen vor allem prekäre Mittelschichtler, die nur zwischenzeitlich auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Die Freigrenzen sind aber kein Schutz vor Altersarmut bei Minirenten. Beginnt der Ruhestand und liegt die gesetzliche Rente unter dem Niveau der Grundsicherung - also Hartz IV -, muss das angesparte Schonvermögen nämlich weitgehend abgeschmolzen werden, bevor es Geld aus der "Grundsicherung im Alter" vom Staat gibt. Ein hohes Schonvermögen spart dem Staat am Ende also auch Kosten für die Grundsicherung.

Die Gesamtkosten der Hartz-IV-Verbesserungen sollen bei 300 Millionen Euro liegen, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Das ist nicht mal ein Prozent der vom Finanzministerium für dieses Jahr erwarteten Hartz-IV-Ausgaben von 36 Milliarden Euro.

Real bedeutsamer könnte die Anhebung der Verdienstfreigrenzen für die Empfänger von Arbeitslosengeld II sein. Dies haben Union und FDP angekündigt, die genauen Werte soll der künftige Bundesarbeitsminister festlegen. Bisher gilt beim Hinzuverdienst: Die ersten 100 Euro Einkommen sind anrechnungsfrei. Darüber hinaus bleiben dem Betroffenen bei einem Verdienst bis 800 Euro 20 Prozent, darüber werden 10 Prozent nicht angerechnet. Wer also etwa 400 Euro hinzuverdient, darf davon 160 Euro behalten.

Diese Grenzen will die schwarz-gelbe Koalition nach oben schieben. Eine solche Anhebung treibt allerdings auch die Zahl derjenigen, die künftig Anspruch hätten auf "aufstockendes" Arbeitslosengeld II, nach oben. Derzeit sind rund 1,3 Millionen Leistungsempfänger zusätzlich erwerbstätig, viele von ihnen geringfügig. Kommen höhere Freigrenzen, ist es für Unternehmen noch leichter, sich Niedriglöhne quasi vom Staat und damit den Steuerzahlern subventionieren zu lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.