Rassistischer Übergriff in Taucha: Hetzjagd nach Stadtfest
In Taucha bei Leipzig verfolgen Hooligans nach einem Stadtfest drei Migranten. Zwei können fliehen, einer wird verprügelt. Elf Verdächtige werden festgenommen, sind aber wieder frei.
BERLIN taz | In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist es in Taucha bei Leipzig zu einem Übergriff auf drei junge Männer nichtdeutscher Herkunft gekommen. In dem Ort wurde an diesem Wochenende ein Stadtfest gefeiert, das auch etwa 15 Personen aus der Leipziger Fußball-Hooligan-Szene besucht hatten. Ein Mann wurde leicht verletzt, die Täter sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Ermittlungen dauern an.
Am Samstagabend rannten nach Angaben der Polizei mehrere Hooligans gegen Mitternacht nach dem Verlassen des Stadtfestes auf die drei Männer zu und beschimpften sie mit ausländerfeindlichen Parolen. Die Angegriffenen versuchten daraufhin zu fliehen - was aber nur Zweien gelang. Ein 23-jähriger Libanese wurde durch die Tatverdächtigen zu Fall gebracht und am Boden liegend geschlagen und getreten. Auch sei eine Bierflasche auf ihn geworfen worden. Er wurde leicht verletzt.
Die gerufene Polizei griff ein und befreite das Opfer. Die zwei Beamten und der Libanese seien aber weiterhin von den Hooligans angegriffen und beleidigt worden, so der Polizeibericht. Ein Beamter wurde leicht verletzt, das Polizeifahrzeug wurde beschädigt.
Die Bereitschaftspolizei Sachsen konnte in Tatortnähe zehn verdächtige Männer zwischen 18 und 22 Jahren festnehmen, ein elfter Tatverdächtiger wurde ermittelt und ebenfalls festgenommen. Die tatverdächtigen Männer sind mittlerweile allesamt wieder auf freiem Fuß, da "keine Haftgründe vorlagen", wie es von der Staatsanwaltschaft Leipzig heißt. Sie bestritten die Tat. Die Ermittlungen würden andauern. Es bestünde der Tatverdacht der Körperverletzung, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie des Landfriedensbruchs.
Die Polizei vermutet die Täter, die mit einer Ausnahme alle aus Leipzig kommen, aus dem Umfeld der BSG Chemie Leipzig, einem Amateurfußballverein. Dieser Verein ist laut Rechtsextremismus-Experten eigentlich nicht für rechte Tendenzen bekannt. "Deswegen bin ich überrascht, dass die Staatsanwaltschaft die Tatverdächtigen im Umfeld des Vereins vermutet", sagt Jens Frohburg vom linken Verein "chronik.LE".
Ein Vergleich zu den Vorkommnissen von Mügeln "hinkt", sagt ein Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft. Die sächsische Stadt war 2007 bundesweit bekannt geworden, nachdem acht Inder bei einem Stadtfest von 50 gewaltbereiten Deutschen durch die Stadt gejagt und verfolgt worden waren. In Taucha sei die Situation eine ganz andere gewesen: Es gebe keinen wirklichen Bezug zum Stadtfest, die Hooligans seien aus Leipzig angereist.
Auch der Bürgermeister von Taucha Holger Schirmbeck (SPD) betonte gegenüber der taz, "Wir sind empört darüber, was da stattgefunden hat. Ich hoffe, die Täter werden bald dingfest gemacht." Er sagte, die Hooligan-Gruppe sei auf dem Fest selbst nicht aufgefallen.
Chronik.LE, einer Gruppierung, die rassistische, sexistische und antisemitische Ereignisse in Leipzig und Umgebung dokumentiert, ist bisher kein rassistischer Übergriff bekannt gewesen, bei dem in Taucha Personen zu Schaden gekommen wären. Allerdings wurden Propagandadelikte wie das gezielte Anbringen von Nazi-Aufklebern oder Hakenkreuzschmierereien in dem 15.000-Einwohner-Ort immer wieder festgestellt. "Es deutet vieles darauf hin, dass es von Taucha aus Kontakte zu den ,Freien Kräften Leipzig' (FKL) gibt", sagt Jens Frohburg von chronik.LE.
Der Verfassungsschutz sieht in Sachsen eine sinkende Tendenz rechtsextremer Anhänger. Die Statistik zählte 2008 noch 2.800 Personen im rechten Spektrum - 200 weniger als noch 2007.
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