Hessens Grünen-Vorsitz Al-Wazir: "Holt alle erst einmal Luft"

Der Grüne Tarek Al-Wazir rät, die Situation zu entschleunigen und in Ruhe die Unklarheiten auszuräumen. Eine Ampel hält er für möglich, eine Jamaika-Koalition nicht

Pro Ampel: Al-Wazir Bild: ap

taz: Herr Al-Wazir, haben Sie noch Zutrauen in die politische Kompetenz Ihres Lieblingskoalitionspartners SPD?

Tarek Al-Wazir: Nun ja, jedenfalls ist jetzt klar geworden, dass die hessische SPD nicht in ihrer Gesamtheit den Kurs ihrer Spitzenfrau Andrea Ypsilanti mitträgt. Solange aber nicht alle 42 SPD-Abgeordneten zusammenhalten, liegen die Koalitionsverhandlungen auf Eis. Übrigens ist auch die Linkspartei ein Problem: Von unterschiedlichen Ebenen ist eine Kakophonie von Forderungen an eine rot-grüne Minderheitsregierung zu vernehmen. Von Gregor Gysi hört man ganz andere Dinge als von Landeschef Ulrich Wilken, der zur Verabschiedung eines Haushalts erst eine Mitgliederbefragung braucht. Auch die Linke ist derzeit nicht geschäftsfähig.

Was machen Sie nun? Abwarten, ob Andrea Ypsilanti sich im Mai zur Ministerpräsidentin wählen lassen will?

Mein Vorschlag ist, dass wir Grünen bei unserer Konzentration auf Inhalte bleiben. Diese wollen wir auch aus der Opposition heraus in Anträgen und Gesetzesentwürfen einbringen. Zu einer Regierungsbildung muss erst die SPD klären, was sie will. Da dürfen nicht bei wichtigen Sitzungen die Leute im Skiurlaub sein.

Geben Sie es zu: Sie haben längst mit der CDU über eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition geredet.

Nein. Vor drei Wochen haben meine Kovorsitzende Kordula Schulz-Asche und ich uns mit allen gewählten Parteien getroffen, auch mit Roland Koch und Volker Bouffier. Aber es bleibt dabei, dass die Hessen-CDU die rechteste der Republik ist. Die Situation in Hessen hat sich verändert, nicht die Hessen-CDU.

Die Grünen betonen sehr auffällig, mit Roland Koch gehe es nicht. Das heißt, es ginge mit einer liberaleren Petra Roth, der Frankfurter Oberbürgermeisterin?

Die Inhalte entscheiden, nicht die Personen. Und so weit, wie die Hessen-CDU von uns entfernt ist, wird auch ein bisschen Entgegenkommen nicht reichen. Allerdings ist Koch als Person unzweifelhaft noch einmal ein besonderes Problem.

Glauben Sie noch oder wieder an eine Ampelkoalition?

In der Tat muss jetzt auch an dieser Stelle geklärt werden, was Guido Westerwelles Kursschwenk auf Bundesebene für Hessen zu bedeuten hat. Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch Herr Hahn in Hessen noch einmal in sich gehen sollte. Aber angesichts all dieser Unklarheiten sage ich: Holt alle erst einmal tief Luft, lasst uns diese Situation entschleunigen. Wozu die SPD in der Lage ist, wird sich nicht heute entscheiden. Die CDU muss merken, dass ihre Politik in der Sache abgewählt ist. Die FDP stellt sich neu auf. Die Linke muss wissen, wie viel Verantwortung sie trägt.

Angenommen, Koch regiert weiter, blockiert von SPD, Grünen und Linker, es gibt Neuwahlen, die SPD endet unter 20 Prozent. Dann werden Sie bestimmt mit der CDU regieren.

Das ist eine rein hypothetische Frage. Was in fünf oder sechs Monaten ist, lässt sich nicht seriös beantworten. Wir werden im Parlament nichts blockieren, sondern etwa unseren Antrag einbringen, die Studiengebühren abzuschaffen. Gibt es dafür eine Mehrheit mit SPD und Linkspartei, wird es interessant. Allerdings hat die Regierung verfassungsmäßig die Möglichkeit, Landtagsbeschlüssen zu widersprechen. Diesen Widerspruch muss der Landtag wieder aufheben. Das wird alles mühselig

Wenn Sie Minister weder werden können noch wollen - möchten Sie vielleicht der nächste Parteichef der Grünen werden?

Ich bin Fraktionsvorsitzender im Hessischen Landtag und Vorsitzender der hessischen Grünen. Das kann ich in der gegenwärtigen Lage nicht alles hinter mir lassen. Ich möchte den Grünen helfen, die drohenden Klippen im Landtag zu umschiffen.

Sie erfüllen alle Kriterien des idealen Bütikofer-Nachfolgers: jung, männlich, Realo, lange Erfahrung …

Oh, da fallen mir noch einige andere ein, die diese Kriterien erfüllen. Aber die nenne ich nicht in einem Interview.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

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