Mügelner Ermittlungen bald beendet: "Im Vorfeld eines Pogroms"

Nach den Mügelner Ereignissen wurden bis heute zwei Strafbefehle und zwei Bewährungsstrafen verhängt. Die Untersuchungen gegen sechs weitere mutmaßliche Täter stehen vor dem Abschluss.

Mügeln im August 2007 : Eine Hundertschaft der Polizei verhindert ein Pogrom. Bild: dpa

BERLIN taz Genau ein Jahr nach dem rassistischen Aufruhr in der sächsischen Kleinstadt Mügeln steht die Staatsanwaltschaft vor dem Abschluss der Ermittlungen. "Die wesentliche Ermittlungsarbeit ist getan", sagte der Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft, Ricardo Schulz, der taz. Nach einer abschließenden Prüfung der Zeugenaussagen werde man demnächst entscheiden, ob und gegen wen Anklage erhoben wird.

Seit den Mügelner Vorgängen vor einem Jahr wurden hunderte von Zeugen vernommen und mittlerweile vier Männer verurteilt, ohne dass sie ins Gefängnis müssen. Eine ganze Reihe von Verfahren wurde eingestellt. Gegen sechs Männer wird noch ermittelt: "Wir sind sehr weit", sagte der Staatsanwalt.

Rekapituliert man die Erkenntnisse der Ermittler und Aussagen aus einer Verhandlung im vergangenen Dezember, ergibt sich folgender Ablauf: Vom 18. auf den 19. August 2007 feierte das Städtchen sein jährliches Altstadtfest. Auch mehrere indische Einwanderer aus der Umgebung nahmen daran teil. Als sich am späten Abend auf der Tanzfläche eine Rempelei entwickelte, schaukelte sich die Situation hoch und vor dem Festzelt kam es zu einer Schlägerei. Dabei wurden sowohl Inder als auch Deutsche verletzt. Die Einwanderer brachten sich in einer Pizzeria am Markt in Sicherheit. Vor der Gaststätte wuchs die Gruppe der Verfolger zu einem Mob heran, der ins Haus eindringen wollte und grölte: "Türkenschweine, macht euch heime!", "Ausländer raus!" Zwei Polizisten stellten sich vor die Pizzeria. Schließlich rückte eine Hundertschaft der Polizei an und verhinderte Schlimmeres.

Der Mob wird von Augenzeugen als unterschiedlich groß beschrieben. Meist war von 50 bis 60 Menschen die Rede, einer der zwei örtlichen Polizisten, die sich gegen die Menge stellten, sprach vor Gericht von bis zu 80. Dennoch wurde nur gegen sieben Männer ermittelt. Denn um jemanden wegen Volksverhetzung verurteilen zu können, muss man einem Verdächtigen konkret eine Parole zuordnen können.

Am Ende stellte die Staatsanwaltschaft drei Verfahren ein, vier Personen kamen vor Gericht. Einen 18-Jährigen verpflichtete ein Jugendrichter zu einer Geldstrafe von 600 Euro, ein 35-Jähriger wurde zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt. Ein Dritter legte Widerspruch gegen seinen Strafbefehl ein, weil in seiner Verhandlung sich zwei Zeuginnen plötzlich nicht mehr an das erinnern konnten, was sie der Polizei gesagt hatten. Der Richter glaubte ihnen nicht und verurteilte den Mann zu sechs Monaten auf Bewährung.

Das härteste Urteil fiel im Dezember gegen den 24-jährigen Frank D. Er schlug mit einem Fenstergitter eine Scheibe der Pizzeria ein. Der Richter am Amtsgericht Oschatz verhängte acht Monate - ohne Bewährung. "Wir haben uns im Vorfeld eines Pogroms gefunden", sagte er in der Urteilsbegründung. Frank D. focht das Urteil an und erreichte Mitte Juli vor dem Landgericht, dass es in eine Bewährungsstrafe von acht Monaten umgewandelt wurde.

Um die Vorgänge vor dem Festzelt kümmert sich die Staatsanwaltschaft derzeit. Wegen gefährlicher Körperverletzung nahm sie Ermittlungen gegen sechs Deutsche und vier Inder auf. Die Verfahren gegen die Inder wurden allerdings von der Staatsanwaltschaft eingestellt, da sie aus Notwehr gehandelt hätten. Von den Deutschen haben die Ermittler nur sechs identifizieren können, alle stammen aus Mügeln und Umgebung.

Einige der sechs Verdächtigen waren schon früher an Schlägereien beteiligt. "Es ist eine Auseinandersetzung mit ausländerfeindlichem Hintergrund. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es sich um eine organisierte, von langer Hand geplante Aktion handelt", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Einer seiner Kollegen kümmert sich vorrangig um die Mügeln-Ermittlungen. Zuletzt hat er die Zeugen noch mal von einem Richter vernehmen lassen - hier kann das Lügen schnell teurer werden als vor dem Staatsanwalt. Nun arbeitet er die Aussagen durch.

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