Verfassungsgericht verbietet Heß-Gedenken: Kein Nazi-Aufmarsch in Wunsiedel

Das Verfassungsgericht lehnt einen Eilantrag ab, in Wunsiedel dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu gedenken. Die Veranstaltung bleibt so weiter verboten. Eine Grundsatzentscheidung soll folgen.

Das Bundesverfassungsgericht kündigte zudem ein Hauptsacheverfahren an, um die Gedenkfrage abschließend zu klären. Bild: dpa

KARLSRUHE dpa/ap | Der geplante Neonazi-Aufmarsch im fränkischen Wunsiedel zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß bleibt verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat - wie schon in den vergangenen Jahren - einen Eilantrag gegen das Verbot der für den 22. August vorgesehenen Kundgebung abgewiesen.

Allerdings will das Karlsruher Gericht "in Kürze" grundsätzlich über die rechtliche Grundlage der Verbote entscheiden. Der 2005 verschärfte Volksverhetzungsparagraf "wirft eine Reihe schwieriger Rechtsfragen auf", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss.

Das Karlsruher Gericht bestätigte damit Entscheidungen des Landratsamts Wunsiedel und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Das wiederholte Verbot bedeute eine erhebliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit, räumten die Richter ein.

Bisher hatte das Gericht den Nachteil für die verhinderten Veranstalter als weniger gravierend eingestuft, weil sich - anders als bei Kundgebungen aus aktuellem Anlass - die Demonstration gegebenenfalls am nächsten Jahrestag nachholen lasse. Wegen der "Vielschichtigkeit" der juristischen Fragen könne aber der Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorgegriffen werden.

Grundlage des Verbots ist Paragraf 130 Strafgesetzbuch, wonach Kundgebungen strafbar sind, wenn sie die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigen, verherrlichen oder rechtfertigen und dadurch die Würde der Opfer verletzen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Vorschrift im Juni 2008 für rechtmäßig erklärt. Die Verfassungsbeschwerde, die der Veranstalter der verbotenen Aufmärsche dagegen eingelegt hat, ist nach den Worten der Karlsruher Richter nach bisheriger Prüfung "weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet".

Heß war 1946 bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Von 1966 an war der einstige Hitler-Stellvertreter der einzige Insasse des Kriegsverbrechergefängnisses in Berlin-Spandau. Am 17. August 1987 nahm er sich im Alter von 93 Jahren das Leben und wurde in Wunsiedel beigesetzt. Seitdem gilt er in der rechtsradikalen Szene als Märtyrer. Sein Todestag ist bundesweit Jahr für Jahr Anlass für Neonazi-Aufmärsche. In Wunsiedel hatten sich bis zum Verbot der Kundgebungen immer wieder tausende Neonazis versammelt.

Das Kriegsverbrecher-Gefängnis in Berlin wurde nach dem Tod von Heß abgerissen, um nicht als Aufmarschplatz für Neonazis benutzt zu werden. Auf dem Gelände stehen heute Einkaufszentren.

(Az: 1 BvQ 34/09 - Beschluss vom 10. August 2009)

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