Ost-Hotelverbände sperren Rechte aus: Kein Zimmer frei für Neonazis

Die Hotelverbände in Ostdeutschland wollen Rechtsradikale nicht mehr beherbergen - auch aus ökonomischen Gründen: No-go-Areas haben der Tourismusbranche immens geschadet.

No-Go-Area für Neonazis: Dresdener Hotel Holiday Inn Bild: dpa

Es ist ein Glück für den Neonazi von heute, dass man in der Szene eher häuslich und heimatverbunden ist. Denn Reisen wird für Anhänger von Glatzen und Hakenkreuzen immer schwerer. Die Hotel- und Gaststättenverbände (Dehoga) in Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben Gäste von rechtsaußen für unerwünscht erklärt, Thüringen will vielleicht mitziehen, in Mecklenburg-Vorpommern kursiert eine Studie über den wirtschaftlichen Schaden im Tourismus durch Rechtsextreme. Und in Sachsen? Da hat alles angefangen.

In Dresden weigerte sich im Oktober Johannes Lohmeyer, der Geschäftsführer des Holiday Inn, zwei NPD-Funktionäre zu beherbergen. Er könne es seinen Mitarbeitern nicht zumuten, sie zu bedienen, schrieb er in einem Brief an die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Wenn sich die Buchung nicht rückgängig machen ließe, wolle er die Einnahmen der Dresdner Synagoge spenden. Die NPDler sagten daraufhin ab.

Die Geschichte hat Wellen geschlagen. Am kommenden Mittwoch wird der Dehoga in Sachen-Anhalt die Mitglieder in seiner Verbandszeitschrift dazu aufrufen, Rechtsradikale draußen zu lassen. Ähnliche Appelle kommen vom Brandenburger Verband. Zusammen mit dem Verfassungsschutz und der Koordinierungsstelle "Tolerantes Brandenburg" sucht man nach Möglichkeiten, sich gegen rechts zur Wehr zu setzen. Auch in Sachsen-Anhalt unterstützt das Innenministerium die Aktion. Man habe vereinbart, die Namen der NPD-Führungsspitzen und nationalistischer Kameradschaften, die im Verfassungsschutzbericht stehen, weiterzuleiten, sagte Martin Krems, Pressesprecher des Ministeriums der taz.

Aber darf ein Hotelier Neonazis einfach so Hausverbot erteilen? In Thüringen gibt es dazu ein Merkblatt, das der Dehoga-Landesverband zusammen mit dem Wirtschaftsministerium erstellt hat. Danach sind private Vermieter nicht verpflichtet, einen Vertrag abzuschließen - es sei denn, sie verletzten dadurch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Gästen den Zutritt zu verweigern, weil man sich an ihrer Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung stört, geht nicht. Aber so wie eine Disko Teenager von einer Ü30-Party ausschließen darf, erlaubt das Hausrecht, NPDler abzulehnen.

Das setzt aber voraus, dass sich Funktionäre unter ihren richtigen Namen anmelden. Eine nachträgliche Stornierung ist schwierig. Deshalb empfiehlt die Landesregierung, vorbeugende Klauseln in die Geschäftsbedingungen aufzunehmen. Wenn der Gast einen Raum für eine politische Veranstaltung nutzt, obwohl er eine Geburtstagsparty angemeldet hatte, kann das Hotel den Vertrag kündigen.

Manuela Braune vom Dehoga Thüringen kann sich durchaus vorstellen, sich der neuen Initiative aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt anzuschließen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen begrüßt man die Aktionen. Allerdings betonen beide Landesverbände, dass sie sich auch schon vor Dresden gegen rechts engagiert hätten, "unaufgeregt und ohne Medien", wie Uwe Barsewitz, Sprecher des Dehoga Mecklenburg-Vorpommern sagte. Besser als Aktionismus seien Gastwirte, die Sportvereine im Ort sponserten oder schwer vermittelbare Jugendliche mit einem Ausbildungsplatz in die Gesellschaft einbänden.

Die Weigerung, Rechte zu beherbergen, erfolgt nicht nur aus politischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen: Laut einer Umfrage des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern haben sieben Prozent der Deutschen ihre Reisepläne schon mal aufgrund von Rechtsextremismus geändert. Zum Vergleich: Wegen der Vogelgrippe disponierten nur 2,7 Prozent um. Allein für Mecklenburg-Vorpommern rechnet die Studie mit Einbußen von 100 bis 200 Millionen Euro. "Wir sind vom Tourismus abhängig", sagt Tobias Woitendorf vom Tourismusverband, "dafür brauchen wir ein lupenreines Image."

Allerdings sind nicht alle in der Branche begeistert von den Dehoga-Boykott-Aktionen. Der Hotel- und Gaststättenverband setze einfach voraus, dass unter seinen eigenen Mitgliedern keine Nazis seien, moniert ein Insider. Außerdem gehe die Aktion am Problem vorbei. "Die Leute bleiben nicht weg wegen Nazis im Zimmer nebenan, sondern wegen den Rechten auf der Promenade", so ein Branchenkenner. Es sei wichtiger, den Radikalismus in der Gesellschaft zu bekämpfen, als ihn aus Feriendomizilen zu verbannen.

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