Widerstand gegen Beck-Plan: Keine Ländermehrheit für NPD-Verbot

Beim SPD-Parteitag soll ein Antrag für ein neues NPD-Verbotsverfahren verabschiedet werden. Eine taz-Umfrage zeigt: Nur eine Minderheit der Länder ist dafür.

"Neues Verbotsverfahren politisch gefährlich": Anti-NPD-Demonstration in Hannover Bild: ap

BERLIN taz Hamburg soll der Anfang vom Ende der NPD sein. Beim SPD-Bundesparteitag wird der Vorstand der Sozialdemokraten am kommenden Wochenende einen Antrag für ein neues Verbotsverfahren einbringen. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag werden darin aufgefordert, "einen Fahrplan für ein Verbot" der rechtsextremen Partei zu erarbeiten. Die Zustimmung der Delegierten gilt als sicher. Doch eine Umfrage der taz in Innenministerien und Staatskanzleien zeigt: In den 16 Ländern hat dieses Lieblingsprojekt von SPD-Chef Kurt Beck keine Mehrheit.

Insbesondere die großen und deshalb mit vielen Stimmen im Bundesrat ausgestatteten Länder würden bei einem neuerlichen Verbotsantrag nicht mitziehen. Die Anti-Verbotsfraktion könnte derzeit 30 der insgesamt 69 Stimmen in der Länderkammer auf sich vereinigen. Zu den Nein-Sagern gehören Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen. "Ein neues Verbotsverfahren wäre politisch gefährlich und juristisch riskant", sagt NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) der taz. Offensichtlich habe der SPD-Vorsitzende Kurt Beck nichts aus dem Fehlschlag vor dem Bundesverfassungsgericht 2003 gelernt.

taz.de zeigt, wie die Länder zum NPD-Verbot stehen. Dabei wird die Regierungskoalition des jeweiligen Landes angegeben und die Zahl der Stimmen, die es im Bundesrat hat.

Pro Verbot

Berlin (SPD-PDS) 4

Bremen (SPD-Grüne) 3

Meck-Vorpomm (SPD-CDU) 3

Rheinland-Pfalz (SPD) 4

insgesamt: 14 Stimmen

Contra Verbot

Baden-Württemberg (CDU-FDP) 6

Hessen (CDU) 5

Niedersachsen (CDU-FDP) 6

NRW (CDU-FDP) 6

Saarland (CDU) 3

Thüringen (CDU) 4

insgesamt: 30 Stimmen

Unentschlossen

Bayern (CSU) 6 Nur "bei klarer Erfolgsaussicht" dafür.

Brandenburg (SPD-CDU) 4 SPD dafür, CDU dagegen

Hamburg (CDU) 3 "Keine abschließende Meinung."

Sachsen (CDU-SPD) 4 CDU dagegen, SPD dafür

Sachsen-Anhalt (CDU-SPD) 4 CDU derzeit dagegen, SPD dafür

Schleswig-Holstein (CDU-SPD) 4 "Meinungsbildung nicht abgeschlossen."

Anfang des Jahres 2001 hatten die rot-grüne Bundesregierung, Parlament und der Bundesrat in Karlsruhe ein Verbot der NPD beantragt. Dieses Verfahren scheiterte, denn die Verfassungsrichter zweifelten an der Zuverlässigkeit des Beweismaterials. Der Grund: In der NPD-Spitze waren V-Leute eingesetzt. Eine Sperrminorität von drei Richtern hatte das Verfahren gestoppt, weil V-Leute in der Parteispitze "doppelten Loyalitätsansprüchen" ausgesetzt seien, gegenüber der Partei und gegenüber dem Staat. Außerdem hätten NPD-Aussagen im Verbotsantrag, die von V-Leuten stammten, gekennzeichnet werden müssen, so die Richter damals. Dass die NPD verfassungsfeindlich ist, sehen Experten aller Parteien als erwiesen an. Für ein Parteiverbot entscheidend ist die Frage, ob der rechtsextremen Truppe nachgewiesen werden kann, dass sie den Staat in aggressiv-kämpferischer Weise bekämpft.

Für einen neuen Verbotsantrag müssten wohl die V-Leute aus den Spitzengremien der NPD entfernt werden, doch dagegen sperren sich CDU, FDP und die meisten unionsgeführten Länder. Sie argumentieren auch mit zu hohen Hürden für ein NPD-Verbot: "Wir müssten der NPD eine aggressiv-kämpferische Haltung nicht nur vor dem Verbotsantrag nachweisen", heißt es dazu aus dem Innenministerium von Niedersachsen, "sondern auch noch von dem Zeitpunkt an, zu dem Karlsruhe über den Antrag verhandelt bis zu einem Urteil." Und das sei nahezu unmöglich.

"Was für ein Quatsch", schimpft Sebastian Edathy (SPD), der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, "das würde ja heißen, dass im Verfahren gegen einen Mörder das Urteil vom Wohlverhalten des Angeklagten während des Prozesses abhängen würde." Der Knackpunkt seien die V-Leute. Und die könnte man durchaus zurückziehen, finden die Befürworter eines Verfahrens in der SPD.

Am lautesten vertritt diese Meinung Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). "Man kann die aggressiv-kämpferische Haltung der NPD anhand ihrer öffentlichen Äußerungen in den Medien oder bei Reden belegen", sagte Körting der taz. "V-Leute braucht man dafür nicht unbedingt."

Mit einer zwölfseitigen Zitatesammlung will der Senator seiner Position Nachdruck verleihen. Auf dieser Liste stehen bisher recht wahllos Aufklebersprüche wie "Fremdarbeiter stoppen!" neben Auszügen aus Reden von Parteigrößen. Dazu gehört auch ein Teil einer Rede, die Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, in der brandenburgischen Kreisstadt Rathenow gehalten hat: "Kämpft! Und wenn wir zur Macht gelangen, dann besteht darin auch die Verpflichtung jene einer gerechten Strafe zuzuführen, die für diese Ausplünderungspolitik des deutschen Volkes eine Verantwortung tragen."

Die meisten seiner Kollegen konnte Körting noch nicht überzeugen. Nur 14 Stimmen hätte eine Pro-Verbotskoalition laut taz-Umfrage im Bundesrat. Dabei wären neben dem von SPD-Chef Beck regierten Rheinland-Pfalz auch Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Der Landtag in Schwerin hat am vergangenen Donnerstag entschieden, dass die Landesregierung sich zusammen mit den anderen Ländern um ein NPD-Verbot bemühen soll.

Diese Entscheidung im ansonsten eher unbedeutenden Ostsee-Staat hat für die Verbotsbefürworter große Symbolkraft. Schließlich regiert in Schwerin eine Große Koalition und den Sozialdemokraten dort ist es gelungen, die CDU auf ihre Seite zu ziehen. In der SPD gibt es nun die Hoffnung, dies könne auch in anderen Ländern klappen. Denn eine ganze Reihe von Landesregierungen hat sich noch nicht entschieden.

Zu diesen Ländern, die Bundesrat immerhin insgesamt 25 Stimmen zusammenbekämen, gehören vor allem Länder mit großen Koalitionen: Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein aber auch Bayern und Hamburg. Sachsen-Anhalt ist geradezu ein Musterbeispiel für die Konfrontation beim Thema NPD-Verbot. Innenminister Holger Hövelmann von der SPD wirbt schon lange für ein neues Verfahren. Seiner Meinung sind seit dem Scheitern des ersten Versuchs genug neue Tatsachen aufgetreten, die einen weiteren Gang nach Karlsruhe rechtfertigen. So habe die NPD ihre Basis durch die systematische Integration neonazistischer Kameradschaften gestärkt und damit einen noch verfassungsfeindlicheren Charakter angenommen. Hövelmann ist deshalb davon überzeugt, "dass Bundestag und Bundesrat vor diesem Hintergrund ernsthaft die Wiederanstrengung eines Verbotsverfahrens mit allen rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln prüfen sollten." Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) teilt die Begeisterung Hövelmanns jedoch nicht: Einer Länderinitiative für ein Verbotsverfahren werde Sachsen-Anhalt nur bei Aussicht auf Erfolg beitreten, heißt es aus der Staatskanzlei. Und in Bezug auf die Pro-Verbotsentscheidung des Parlamentes von Mecklenburg-Vorpommern wird der Ton sogar noch ein wenig kühler: "Mit Landtagsbeschlüssen, so gut gemeint sie sein mögen, ist es bei diesem Thema nicht getan."

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