Wohngeld für Kinder: Mehr Bürokratie für Hartz-IV-Empfänger

Viele Hilfsbedürftige müssen künftig wieder zu mehreren Ämtern gehen, um Leistungen zu beantragen.

Künftig gibt es noch ein Formular mehr auszufüllen. Bild: dpa

BERLIN taz Hunderttausende Hartz-IV-Empfänger müssen künftig einen Behördengang mehr erledigen. Das Bundesarbeitsministerium gab im Juni eine Weisung an die Arbeitsagenturen aus, laut der Eltern für ihre Kinder extra Wohngeld beantragen müssen, wenn diese ein entsprechendes eigenes Einkommen haben.

Bisher erhielten Hartz-IV-Bezieher den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder vom Jobcenter jeden Monat aufs Konto überwiesen. Diese Summe enthält auch Mietzuschüsse, die mit dem bekannten Wohngeld nichts zu tun haben. Die Hilfsbedürftigen erhielten so ihr Geld "aus einer Hand" - wie es Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) nach der Hartz-IV-Reform immer wieder betonte.

Dass viele nun die Unterkunftskosten für ihre Kinder beim separaten Wohngeldamt beantragen sollen, steht im Sozialgesetzbuch: Hilfsbedürftige müssen zuerst Wohngeld in Anspruch nehmen, bevor andere Sozialleistungen in Frage kommen. "Der Rundbrief hat das nur klargestellt", so eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums.

Wenn sich die Jobcenter nun nach der Weisung richten, betrifft das vor allem alleinerziehende Hartz-IV-Empfänger, erklärt Harald Thomé vom Arbeitslosenhilfeverein Tacheles e.V. Denn ihre Kinder erhalten zum Kindergeld auch Unterhalt. Ihr Einkommen ist dadurch so hoch, dass sie die Mindestgrenze überschreiten, nach der man Wohngeld beantragen kann - und muss. Im Juli 2008 gab es laut Bundesagentur für Arbeit 642.000 alleinerziehende Hartz-IV-Beziehende, fast ausschließlich Mütter.

Sie müssen nun bei zwei Verwaltungsstellen - Jobcenter und Wohngeldamt - ihre Anträge und Belege einreichen. Die Betroffenen sind oft überfordert. "Ich habe jetzt für mich und meinen zweijährigen Sohn Paul zwei Sachbearbeiter und zwei Bescheide. Aber die Berechnungen verstehe ich kaum", sagt die alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin Eva Wedel aus Düren. Die 30-Jährige wollte gern eine Vollzeitstelle als Erzieherin finden, aber so viel Bürokratie erschwere die Jobsuche.

Hinter der Weisung des Arbeitsministeriums steht das Rangeln über die Aufteilung der Sozialleistungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Hartz IV, inklusive der Mietzuschüsse, zahlt die Bundesagentur für Arbeit. Zu den Mietzuschüssen müssen die Kommunen aber zwei Drittel beisteuern, was sie schon lange beklagen. Der Bund will sie entlasten, denn das separate Wohngeld finanzieren Bund und Länder, nicht die Kommunen. Gleichzeitig verschönert sich die Erfolgsstatistik: Kinder, die Wohngeld beantragen, sind technisch nicht mehr Hartz-IV-Empfänger.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.