Vier Jahre Piratenpartei Deutschland: Mehr Freiheit im Park

Auf der Suche nach neuen Themen: Die Piratenpartei feiert ihren vierten Geburtstag und will künftig für "Freiräume" kämpfen - zum Beispiel für den Tempelhofer Park.

Piratenschiff auf der Spree, fotografiert im August 2009. Bild: Stefan Berkner– Lizenz: CC-BY

2010 war bislang kein gutes Jahr für die Piraten. Nachdem die junge Partei bei der Bundestagswahl 2009 mit zwei Prozent Stimmenanteil einen Achtungserfolg erzielen konnte, blieb das Ergebnis bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen mit 1,5 Prozent hinter den Erwartungen.

Nur eine Woche später sollte auf einem Bundesparteitag in Bingen eine Neuausrichtung gelingen. Doch allein für die Vorstandswahl brauchte man zehn Stunden. Für Programmdiskussionen blieb keine Zeit. In den Vorstand wählten die Piraten außerdem nur Männer. Das wirkt nicht gerade fortschrittlich.

Am 10. September 2006 wurde die deutsche Piratenpartei von Internetaktivisten in Berlin gegründet. Den vierten Geburtstag nutzten Parteiaktivisten, um in der Berliner Geschäftsstelle ein Resümee zu ziehen. Dabei war die Botschaft klar: Der Blick geht nach vorne, aus den Fehlern der Vergangenheit will man lernen. Aber neue Themen werden dringend gesucht. „Wir wollen bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr zeigen, dass wir das Ergebnis der Bundestagswahl halten und sogar ausbauen können“, kündigt Vorstandsmitglied Christopher Lauer an. Dafür müsse man aber eine größere Wählerschaft erreichen. „Wir müssen deshalb unsere Themen ausweiten“, sagt Lauer, und fügt hinzu: „Wir dürfen das nicht wahllos tun.“

Es ist die große Frage für eine Partei, die vor allem mit einem Thema – Stärkung der Bürgerrechte im Netz – groß geworden ist, mit welchen Inhalten und Positionen sie für ein breiteres Publikum interessant werden kann. Die Piraten glauben, dass sie die meisten politischen Positionen mit Ableitungen aus ihren Grundüberzeugungen Transparenz, Freiheit und breiter Beteiligung begründen können. Martin Haase, der sich selbst als „Basispirat“ bezeichnet, nennt als Beispiel: „Wir sind gegen abgeschlossene Parks und verschlossene Freiräume.“ Das sei eine einfache Übertragung ihrer Forderung nach Freiheit im Netz auf die „analoge“ Welt.

In Berlin wenden sich die Piraten damit zum Beispiel gegen die Umzäunung des Tempelhofer Felds, dem Gelände des ehemaligen Stadtflughafens. Einige andere Themen fallen Haase, der in einer Schöneberger Basisgruppe aktiv ist, auch noch ein. „Bildung ist ein Kernthema der Piraten“, sagt er. „Das ist ein internetnahes Thema, es geht um freies Wissen.“ Deshalb sei man gegen Studiengebühren, die den freien Zugang einschränken.

Wenn im Herbst 2011 in Berlin Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlungen gewählt werden, müssen die Piraten Inhalte anbieten können, die auch in den Bezirken vor Ort relevant sind. Die Partei glaubt dabei an ihre Chance. In einigen Bezirken wie Mitte, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg rechnet die Partei fest mit einem Einzug in die Parlamente, denn auf Bezirksebene gilt nur eine Drei-Prozent-Hürde. „Und wenn wir uns wirklich ins Zeug legen“, sagt Vorstandsmitglied Lauer, „ziehen wir mit fünf Prozent ins Abgeordnetenhaus ein.“

Davor wird im März in Baden-Württemberg der Landtag gewählt. Mehr als Achtungserfolge in manchen Wahlkreisen erwartet Lauer dort allerdings nicht. Der Südwesten ist als ländlich geprägtes Flächenland ein schwieriges Terrain für Piraten. So erklärt Basispirat Haase auch das magere Ergebnis in NRW: „Wir hatten es in den ländlichen Gebieten sehr schwer, in den städtischen Ballungszentren hat dafür die SPD dominiert.“

Zunächst will die Piratenpartei aber die dringend notwendige Programmdebatte nachholen. In Chemnitz treffen sich die Piraten Ende November zum Parteitag, und wie schon in Bingen wird es keine Delegierten geben, jeder kann teilnehmen und alle werden sich zu Wort melden können. Um die Diskussion zu steuern, vertraut die Partei seit einigen Wochen auf eine Onlinesoftware. „LiquidFeedback“ heißt das Programm, in dem Parteimitglieder politische Forderungen und Initiativen einstellen können. Andere Mitglieder stimmen dann über die Vorschläge ab oder entwickeln sie selbstständig weiter. 800 Initiativen von über 3000 Nutzern seien bereits in der Diskussion, berichtet Martin Haase stolz.

Damit der Chemnitzer Parteitag nicht wieder in einer Flut von Anträgen untergeht, kümmert sich im Vorfeld eine Antragskommission um die Auswahl der Vorschläge. Dabei soll sie sich an den erfolgreichsten „LiquidFeedback“-Initiativen orientieren. Für Christopher Lauer ist das Programm der Beweis, dass mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten eben doch alle Bürger am politischen Entscheidungsprozess beteiligt werden könnten. Das sollen auch bald die Konkurrenten zu spüren bekommen: „Wir werden die anderen Parteien vor uns hertreiben“, verspricht Lauer.

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