Bundeswehr darf bald im Inland töten: Militär soll Polizei ergänzen

Der Koalitionsausschuss will das Grundgesetz ändern: Fehlen bei einem Antiterroreinsatz die polizeilichen Mittel, darf das Militär mitmischen. Die Opposition ist entsetzt.

Bekommt vielleicht bald Unterstützung von Soldaten: Die Polizei. Bild: dpa

Noch in dieser Wahlperiode soll das Grundgesetz geändert werden, um Antiterroreinsätze der Bundeswehr im Inland zu erlauben. Dies beschloss der Koalitionsausschuss am Sonntagabend.

"Reichen zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalles polizeiliche Mittel nicht aus, so kann die Bundesregierung den Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Mitteln anordnen." Das ist der entscheidende Satz der Änderung. Er soll in Artikel 35 eingefügt werden.

Die Opposition protestierte umgehend. "Terrorabwehr muss Aufgabe der Polizei bleiben", betonte der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland, "der Gesetzentwurf folgt der verqueren Logik von Minister Schäuble, dass innere und äußere Sicherheit verschmelzen." Auch Ulla Jelpke von der Linksfraktion warnte: "Das ist, was Schäuble seit über 15 Jahren will: die grundgesetzliche Befugnis zum Einsatz der Armee im Inland."

Die Altliberalen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch forderten die FDP in Bund und Ländern auf, die Grundgesetzänderung abzulehnen, wenn nicht bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So solle die Antiterroramtshilfe der Bundeswehr auf Fälle "einer unmittelbar drohenden" Gefahr beschränkt werden. Die FDP könnte tatsächlich Bedingungen stellen. Wenn die Liberalen auch in Bayern an die Regierung kommen, könnten die vier schwarz-gelb regierten Länder, zu denen auch Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gehören, im Bundesrat die erforderliche Zweidrittelmehrheit verhindern.

Die Bundesregierung trat inzwischen Befürchtungen entgegen, die Bundeswehr könnte künftig bei jedem Staatsgipfel eingesetzt werden, wenn Terroralarm, Demonstrationen und polizeiliche Überlastung zusammenkommen. "Voraussetzung für einen Militäreinsatz ist nicht die quantitative Überforderung der Polizei, sondern dass die polizeilichen Mittel qualitativ nicht ausreichen", sagte ein Sprecher des Justizministeriums zur taz. Dies sei vor allem bei Angriffen aus der Luft und von See her der Fall, "die Polizei hat nun mal keine Jagdflugzeuge".

Aus der Begründung des Gesetzentwurfs, der der taz vorliegt, geht hervor, dass die Bundeswehr bei der "Amtshilfe" auch gegen den Willen der betroffenen Landesregierung eingesetzt werden kann. Die Armee wird im Einsatz auch nicht den Befehlen der Polizeiführung unterstellt. Zu welchen Mitteln die Bundeswehr greifen darf, hänge vom Einzelfall ab. Soweit sich Maßnahmen ausschließlich gegen Täter richten, sei auch "deren Tötung" zulässig, heißt es.

Der Abschuss entführter Jets mit unschuldigen Passagieren ist von der geplanten Grundgesetzänderung nicht gedeckt. Die Koalition hat hierfür aber ein Hintertürchen in die Begründung eingebaut. Es sei "denkbar, dass Einwirkungen, die auch Dritte betreffen, vor der Rechtsordnung in der Gesamtheit der geschriebenen und ungeschriebenen Normen Bestand haben". Eine kryptische Formulierung, die noch für Diskussionen sorgen wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.