Razzien bei Islam-Gemeinschaft : Milli Görüs durchsucht

Staatsanwälte ermitteln gegen drei Verantwortliche der islamischen Gemeinschaft. Verdacht: Steuerhinterziehung.

Verdacht auf Unregelmäßigkeiten: Das Gebäude der Milli Görus in Kerpen. Bild: ap

KERPEN taz Drei Verantwortliche der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) werden der Steuerhinterziehung verdächtigt. Um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen, wurden am Dienstagmorgen Geschäfts- und Privaträume durchsucht. Vor der Deutschland-Zentrale von Milli Görüs in Kerpen fuhren mehr als ein Dutzend Polizeiwagen vor. Beamte besetzten den Innenhof des tristen Verwaltungsgebäudes in einem Gewerbegebiet und durchsuchten mehrere Stunden lang die Büros.

Nach Angaben der Kölner Staatsanwaltschaft, die die bundesweiten Ermittlungen führt, fanden Razzien zeitgleich nicht nur im Rheinland, sondern auch in Dortmund und in den bayerischen Städten Nürnberg, Fürth und München statt. Gemeinsam mit Ermittlern von Finanzbehörden wurden zahlreiche Unterlagen sichergestellt. "Die Auswertung der Papiere wird wohl mehrere Wochen dauern", sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld. "Wegen des Steuergeheimnisses dürfen wir zu Einzelheiten keine Stellung nehmen."

Es gilt aber als wahrscheinlich, dass es bei wirtschaftlichen Aktivitäten der Religionsgemeinschaft den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten gab. Milli Görüs bietet unter anderem eine Sterbekasse und einen Buchladen an. Außerdem wirbt die Gemeinschaft auf ihrer Homepage besonders intensiv für Pilgerfahrten nach Mekka. Nach eigenen Angaben finanziert die Gemeinschaft ihre Aktivitäten ausschließlich über ihre Mitglieder, gewerbliche Aktivitäten gebe es nicht. Offenbar herrschen über die Bezahlung von Dienstleistungen unterschiedliche Auffassungen zwischen der Gemeinschaft und den Finanzbehörden.

Die Organisation wird vom Verfassungsschutz unter dem Verdacht islamistischer Bestrebungen beobachtet. Nach eigenen Angaben verfügt die Gemeinschaft über 87.000 Mitglieder und 323 Moscheen in Deutschland. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz schätzt, dass durch Familienangehörige und Besucher von Moscheen deutlich über 100.000 Menschen in Deutschland von Milli Görüs erreicht werden. In der Ideologie der Religionsgemeinschaft werden demnach die westliche Zivilisation, ihre Werte und ihr Demokratieverständnis abgelehnt. Stattdessen müsse eine als islamistisch bezeichnete Herrschaft errichtet werden.

Seit Jahren versuchen die Verantwortlichen von Milli Görüs, sich vom Vorwurf des Extremismus zu befreien. Das Bundesverwaltungsgericht hatte erst im Mai entschieden, dass Baden-Württemberg einzelne Passagen über die Gemeinschaft im Bericht des Verfassungsschutzes streichen müsse. Landesinnenminister Heribert Rech (CDU) betonte nach dem Urteil, dass die Organisation nach wie vor "Bestrebungen verfolge, die mit unserer Verfassungsordnung nicht vereinbar sind".

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