Messerattacke in Dresdner Gericht: Mord mit islamfeindlichem Hintergrund?

Der Mann, der in der vergangenen Woche eine 31-jährige Ägypterin im Dresdener Landgericht mit 18 Messerstichen getötet hat, hatte vermutlich islamophobe Motive.

Nach der Dresdner Messerattacke entflammte eine Debatte, wie sicher Gerichte sind. Bild: dpa

BERLIN taz | Die junge Ägypterin, die am vergangenen Mittwoch im Dresdner Landgericht erstochen wurde, ist möglicherweise das erste Todesopfer eines islamfeindlichen Übergriffs in Deutschland. "Der Mann ist radikal ausländerfeindlich. Wir prüfen, ob er eine spezifisch islamfeindliche Haltung hat", sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius der taz.

Die Vorgeschichte zu der Tat begann Ende 2008 auf einem Spielplatz in Dresden beim Streit um eine Schaukel. Dabei beschimpfte der 28-jährige Alex W. die 31-jährige Marwa E., die ein Kopftuch trug, als "Terroristin", "Schlampe" und "Islamistin". Marwa E. zeigte ihn an, kurze Zeit später wurde der russlanddeutsche Mann, der seit 2003 in Deutschland lebt, zu einer Geldstrafe verurteilt. Weil er arbeitslos war, fiel die Strafe mit 780 Euro gering aus. Während des Prozesses sagte W. nach Angaben der Staatsanwaltschaft, "solche Leute" seien nicht beleidigungsfähig, da sie "keine richtigen Menschen" seien. Die Staatsanwaltschaft hielt daraufhin eine Freiheitsstrafe für angemessen und ging in die Berufung.

Während der Berufungsverhandlung in der vergangenen Woche war Marwa E. im dritten Monat schwanger, zum Prozess kam sie mit ihrem Mann und dem dreijährigen Sohn. Als sie ihre Zeugenaussage gemacht hatte, stürzte sich Alex W. mit einem Messer in der Hand auf sie und stach innerhalb kürzester Zeit 18-mal auf sie ein. Marwa E. starb kurze Zeit später. Ihr Ehemann, Elwy O., versuchte, sie zu beschützen, und wurde selbst verletzt. Ein Bundespolizist, der in den Raum eilte, hielt aus bisher ungeklärten Gründen den Ehemann für den Täter und schoss ihn ins Bein. O. lag wegen zahlreicher Verletzungen mehrere Tage im Koma.

"Falls es stimmt, was die Medien schreiben, war es ganz offensichtlich ein islamfeindlicher Anschlag", sagte Peter Widmann, der am Zentrum für Antisemitismusforschung zu Islamophobie forscht. Auch Sabine Schiffer, Direktorin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen und eine der Experten der Islamkonferenz, hält die Tat wegen der Beleidigungen, mit der der Täter Marwa E. belegt hat, für eine islamfeindliche.

Die Generalsekretäre der Zentralräte für Juden und für Muslime, Stephan Kramer und Aiman Mazyek, besuchten gestern den Ehemann von Marwa E. im Krankenhaus. "Wir wollen ein deutliches Zeichen gegen Islamophobie setzen", sagte Kramer. "Viele Muslime haben Angst und das dürfen wir nicht ignorieren." Die bisherigen Reaktionen auf den Fall seien "unverständlich spärlich".

"Dieser Anschlag wurde möglicherweise atmosphärisch durch eine Hassszene im Internet vorbereitet und durch problematische Tendenzen unter bestimmten Intellektuellen, die bis in die Mitte der Gesellschaft reichen", sagte Wissenschaftler Widmann. Dennoch würde das Thema Islamfeindlichkeit in der Öffentlichkeit bislang kaum diskutiert.

Das liege, so Widmann, zum einen an einem "verbreiteten Unbehagen über den Islam" bis in die gesellschaftliche Mitte hineien. "Zudem gibt es Unsicherheit darüber, was legitime Kritik ist und wo ein Feindbild beginnt", sagte Widmann. Aus seiner Sicht ist das aber einfach: Legitim sei Kritik immer, wenn sie sich an konkrete Personen oder Organisationen richtet, nicht aber, wenn ein Kollektivcharakter angenommen werde.

Auch der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), beobachtet, dass das Phänomen Islamfeindlichkeit in den vergangenen Jahren "an Breite gewonnen hat".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.