Polizei reagierte nur langsam: Neonazis verprügeln jüdischen Jungen

Ein CDU-Politiker protestiert: Sein jüdischer Sohn wurde auf einer Geburtstagsfeier von Neonazis zusammengeschlagen - die Polizei nahm den Fall nicht ernst.

Der Freund und Helfer: in Gummersbach viel zu spät und "unsensibel". Bild: dpa

Für den 17jährigen Rafael David Reinecke fing der Samstagabend vor rund zwei Wochen fröhlich an: Auf einem Sportplatz in Gummersbach, einer 50.000-Einwohner Stadt im Oberbergischen Kreis, feierte er vor zusammen mit anderen Gästen den Geburtstag seiner besten Freundin. Auf der Feier kam er mit einem Mädchen ins Gespräch, fragte sie nach ihrem ungewöhnlichen Namen. Sie sprachen über ihre Herkunft. "Ich habe natürlich nicht darüber nachgedacht, dass es ein Problem sein könnte, dass ich jüdisch bin", sagt der 17jährige heute.

Ein Problem war es offensichtlich für die drei jungen Männer, die sich wenig später zu Rafael setzten. Einer von ihnen hatte ein eisernes Kreuz auf dem Unterarm tätowiert, und auf seinen Bauch den Schriftzug "Blut und Ehre". Warum er hier so provozieren würde, fragten sie ihn. "Ich habe nicht mit ihnen gesprochen, sie nicht einmal abfällig angeguckt", sagt Rafael. Er wollte keine Konfrontation.

Zu der kam es später dann doch, als die Täter ihn alleine im Garten erwischten. "Dreckige Judensau" beschimpften sie ihn, sie schlugen und traten den Jungen, schließlich schubsten sie ihn einen Abhang hinunter. Die restlichen Geburtstagsgäste bekamen davon nichts mit: Während er verprügelt wurde, hat der 17jährige sich nicht gewehrt und nicht geschrien.

Rafaels Vater, Peter Reinecke, sitzt seit 1999 für die CDU im Kreistag sitzt, fragt immer noch fassungslos: "Muss man heute, 70 Jahre nach der Reichskristallnacht, in Oberberg wieder Angst haben, jüdischer Herkunft zu sein?"

Aber nicht nur der offene Ausbruch von Antisemitismus schockierte Reinecke - sondern auch das Verhalten der Polizei. Gegen die erhebt Reinecke schwere Vorwürfe: Seine von seinem Sohn zur Hilfe gerufenen Töchter hätten mehrfach bei der Polizei anrufen müssen, erst nach fast einer Stunde sei ein Streifenwagen gekommen. Der Beamte am Telefon sei zudem nicht nur unwirsch gewesen, er hätte zudem auch einfach aufgelegt, als seine Tochter den Weg zum Tatort nicht gut beschreiben konnte.

Reinecke schrieb eine wütende Dienstaufsichtsbeschwerde an den Leiter der Kreispolizeibehörde. "Wenn das der Schutz und die Umgangsformen der oberbergischen Polizei sind, frage ich mich - auch in meiner Funktion als Abgeordneter des Oberbergischen Kreises - wie weit wir gekommen sind?", heißt es darin.

"Die Beamten haben zum Teilen sehr unsensibel gehandelt", sagt jetzt auch der Polizeidirektor Thomas Sanders.

Dass der erste Streifenwagen erst über 30 Minuten nach dem Anruf am Tatort angekommen ist, sei eindeutig zu spät. Er bestätigte auch, dass insgesamt drei Anrufe eingegangen seien - die ersten beiden wurden von den Beamten als nicht dringlich angesehen.

Rafaels Schwestern waren mit ihrem Bruder zunächst ins Krankenhaus gefahren, dann zur Party zurückgekehrt, um die Namen der Täter herauszufinden. "Die waren alle noch da und immer noch extrem gereizt", erinnert sich Rafael. Einer von ihnen wollte auch seine Schwester angreifen. Erst nachdem sie dem Polizeibeamten alarmiert hatte "das kann hier jederzeit wieder losgehen", schickte die Polizei einen Streifenwagen.

In ersten Medienberichten hatte der Polizeisprecher noch verlautbaren lassen, der rechtsradikale Hintergrund des Überfalles sei erst mit der Dienstaufsichtsbeschwerde Reineckes aus der Presse bekannt geworden. Sanders dagegen bestätigte jetzt dagegen die Version des Opfers: Bereits am Telefon sei von rechtsradikalen Motiven die Rede gewesen, gab der Polizeidirektor zu, später auf der Party hätten Zeugen das auch bestätigt.

"Noch eine blöde Sache" sei laut Sanders das Telefongespräch zwischen der Schwester des Opfers und des Beamten in der Zentrale gewesen. Wegen der unklaren Wegbeschreibung zu dem ehemaligen Sportplatz, der im Computersystem nicht mehr verzeichnet ist, habe es "minutenlange Differenzen" gegeben. Als Entschuldigung will Sanders das allerdings nicht gelten lassen. Er werde den Vorfall an das Innenministerium weiterleiten. Was die Dienstaufsichtsbeschwerde angeht, wolle er zunächst noch einmal mit Peter Reinecke sprechen, bevor er Angaben über mögliche Konsequenzen macht. "Aber was die Sensibilität im polizeilichen Innenbereich angeht, da muss man noch mal darüber nachdenken."

Gegen die drei Täter ermittelt unterdessen der Staatsschutz Köln wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Verwendung nationalsozialistischer Symbole. Es handle sich offensichtlich um ein antisemitisches Tatmotiv, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Rainer Wolf: "Wir haben die Zeugenvernehmung abgeschlossen. Die Zeugen haben die Perspektive der Opfer bestätigt." Als nächstes müssen die Täter vernommen werden, die man innerhalb dieser Woche noch für eine Anhörung anschreiben werde.

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