Parteitag der Grünen: Özdemir gegen Ampel-Ansage

Der Grünen-Parteichef Özdemir erklärt auf dem Nord-Landesparteitag die Koalitionsdebatte für lähmend - und die Ex-Grünenchefin Angelika Beer erklärt unter Tränen ihren Parteiaustritt.

Claudia Roth und Cem Özdemir beim Grünen-Parteitag. Bild: ap

BAD OLDESLOE/BERLIN taz Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat auf dem Parteitag der schleswig-holsteinischen Grünen erklärt, seine Partei werde keinen Wahlkampf unterm rot-gelb-grünen "Ampel"-Vorzeichen führen.

Zwar müssten die Grünen sich darüber im Klaren sein, dass nach den Bundestagwahlen im September auch Gespräche mit ungeliebten Parteien auf sie zukommen könnten. Aber "das heißt noch lange nicht, dass wir uns jetzt auf irgendwelche Koalitionen festlegen müssen", sagte Özdemir am Sonntag in Bad Oldesloe. Der Bundesvorstand unter ihm und Claudia Roth "teilt das Anliegen vieler in der Partei, uns jetzt nicht mit Koalitionsaussagen zu lähmen".

Seit Wochen streiten sich die Grünen darüber, was für eine "Wahlaussage" der Bundesparteitag im Mai beschließen soll. Die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin wünschen, dass in solch einem Beschluss nicht nur Schwarz-Gelb und die große Koalition gegeißelt werden, sondern auch ein Satz von der Art vorkommt, dass eine Koalition mit SPD und FDP die einzig realistische Machtoption für die Grünen sei. Dagegen wehren sich jedoch insbesondere die Landesverbände, die bald Landtagswahlen bestehen müssen: Vor neun Tagen verwehrten sich die Nordrhein-Westfalen gegen eine Ampel-Ansage, am Sonntag nun die Grünen in Schleswig-Holstein, wo im Mai 2010 gewählt wird.

"Aussagen für bestimmte Konstellationen entsprechen nicht dem Geist, mit dem wir Wahlkampf führen wollen", heißt es im Parteitagsbeschluss. Dem könne er sich "weitgehend anschließen", sagte Özdemir in Bad Oldesloe. Es sei "das Dümmste, diese Debatte größer zu machen, als sie es verdient."

Obwohl sich Bundesvorstand, Spitzenkandidaten und Partei nun eigentlich bis zum 20. April Zeit lassen wollten, eine mehrheitsfähige Wahlaussage zu formulieren, sind damit die Chancen stark geschrumpft, dass die Ampel darin vorkommt. Auch Fraktionschef Fritz Kuhn, der in der Sache hinter Künast und Trittin steht, hatte zum Wochenende im Focus gesagt: Ein "epochales Bekenntnis zur Ampel" werde seine Partei nicht ablegen.

Eingetrübt wurde der kleine Triumph der auf "Grün pur" getrimmten Schleswig-Holsteiner dadurch, dass gleich zu Parteitagsbeginn ein prominentes Mitglied seinen Austritt erklärte. Die Europaabgeordnete und Verteidigungsexpertin Angelika Beer sagte in einer mehrfach von Tränen unterbrochenen persönlichen Erklärung, sie habe sich "zu weit von der Partei, zumindest von der Spitze im Bund entfernt".

Ihren Vorwurf, dass in der friedenspolitischen Kommission der Grünen zu wenig kritische Analyse der rot-grünen Politik im Kosovo, in Afghanistan und Irak möglich war, können andere Kommissionsmitglieder jedoch nicht nachvollziehen: "Auf den Tisch gehauen oder so etwas hat sie nie", sagt einer. Allerdings waren Beers sicherheitspolitische Ideen aus Brüssel in Berlin nicht durchgedrungen.

Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Robert Habeck sagte, Beers Austrittsbegründung sei "an den Haaren herbeigezogen". Sie habe wohl nicht verkraftet, dass sie nicht wieder für das Europaparlament aufgestellt worden sei. Noch nicht einmal dies vermutet Beers ehemaliger Koparteichef Reinhard Bütikofer, jetzt männlicher Spitzenkandidat für das Europaparlament: "Ich kann es schlicht nicht verstehen", sagte er zur taz.

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