Neues Programm der Linken: Realos wollen weniger kategorisch sein

Die Linkspartei will mit einem neuen Entwurf ihres Programms der Wirklichkeit gerechter werden, vor allem im Osten. Die Realos freut's, die Fundis ärgert's.

Unterstützt die "Weiterentwicklung" der Haltelinien: Dietmar Bartsch. Bild: ap

BERLIN taz | Die Linkspartei rüstet verbal ab. In ihrem überarbeiteten Programmentwurf rückt sie vom Kurs der Fundamentalopposition ab und erleichtert so künftige Regierungsbeteiligungen. Während reformorientierte Spitzenpolitiker der Partei den neuen Entwurf loben, zeigt sich der linke Parteiflügel enttäuscht.

Insbesondere um die sogenannten Haltelinien, also die konkreten Bedingungen für Regierungsbeteiligungen, war heftig gerungen worden. Hieß es in der Ursprungsfassung, die vor gut einem Jahr von den damaligen Parteichefs Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vorgelegt wurde, die Partei werde sich "an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierung vornimmt, Sozial- oder Arbeitsplatzabbau betreibt", ist dieser Passus nun entschärft worden.

"An einer Regierung, (…) die Privatisierung der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert, werden wir uns nicht beteiligen." Hieß es zuvor, "Regierungsbeteiligungen sind konkret unter den jeweiligen Bedingungen zu diskutieren und an verbindliche Kriterien zu binden", sind diese "verbindlichen Kriterien" jetzt durch "politische Anforderungen" ersetzt. Eingefügt wurde der Satz, dass die Entscheidungen über das Mitregieren, "über Wahlprogramme und Koalitionsvertrag die jeweils zuständigen Parteitage" treffen.

In die richtige Richtung

Die Änderungen sind nur Nuancen - sie haben aber Signalwirkung. "Durch die Änderungswünsche der Basis sind Schritte in die richtige Richtung gegangen worden. Besonders die Weiterentwicklung der sogenannten Haltelinien finde ich vernünftig", sagte Dietmar Bartsch, Linken-Fraktionsvize im Bundestag, der taz.

Auch Sachsens Linksparteichef Rico Gebhardt zeigte sich zufrieden. "Es bewegt sich in die richtige Richtung", sagte er der taz. Jetzt werde berücksichtigt, dass es unterschiedliche Situationen in Ost und West gebe. "Es ist ein Erfolg für die Gesamtpartei. Der neue Entwurf kann zu einer größeren Akzeptanz der Partei in der Gesellschaft beitragen."

Der Lafontaine-Entwurf war vor allem von Spitzenpolitikern aus den Ostverbänden kritisiert worden. Zu starr seien die Haltelinien. Die strikte Absage an Personalabbau im öffentlichen Dienst etwa sei für den Osten angesichts sinkender Bevölkerungszahlen realitätsfern, hieß es. Manchen geht auch der jetzige Entwurf nicht weit genug. Sie verwiesen am Dienstag auf einen Alternativentwurf, den Parteivize Halina Wawzyniak und Bundesschatzmeister Raju Sharma vom Realoflügel im Januar veröffentlicht hatten.

Nicht alle Genossen sind begeistert

"Bei den roten Haltelinien handelt es sich um eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Linkspartei. Es geht um ihre Daseinsberechtigung links von SPD und Grüne", sagte hingegen Ulla Jelpke vom linken Parteiflügel der taz.

Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion zeigte sich mit dem neuen Entwurf unzufrieden. "Er bedeutet einen Schritt zurück." Anstatt klare und verbindliche Kriterien für linke Regierungsbeteiligungen zu benennen, sollten diese jetzt an nicht näher definierten "politische Anforderungen" bemessen werden. "Damit ließe sich jede Beteiligung auch an einer neoliberal ausgerichteten Regierungspolitik unter Verweis auf angebliche Sachzwänge rechtfertigen", sagte Jelpke.

Der neue Entwurf wurde von einer vierköpfigen Redaktionskommission auf Grundlage von Vorschlägen aus der Partei verfasst. Einstimmig habe man die neue Version beschlossen, hieß es. Lediglich für das erste Kapitel "Woher wir kommen, wer wir sind" wurde noch kein Kompromiss gefunden.

Am Wochenende will der Parteivorstand das überarbeitete Programm beschließen. Ein Vorschlag zur Präambel "Dafür steht die Linke" wurde auf Juni vertagt. Im Oktober sollen die Parteimitglieder über das Programm entscheiden.

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