Gendiagnostikgesetz: Recht auf Nichtwissen

Geheime Vaterschaftstests, Gentests für Versicherungen: Ein Gesetz soll Erbgut-Informationen besser schützen. Doch es bleiben große Lücken.

Demnächst nicht mehr ohne Zustimmung des mutmaßlichen Erzeugers: Vaterschaftstests. Bild: dpa

BERLIN taz | Wer darf was über die Gene seiner Mitmenschen wissen - und damit über mögliche Krankheiten? Auf diese verzwickte Frage will Schwarz-Rot nach langem Hickhack endlich eine verbindliche Antwort liefern. Im Bundestag werden die Koalitions-Fraktionen am Freitag das "Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen" verabschieden. Doch eine wichtige Frage bleibe ungeklärt, kritisieren Grüne und Experten: Was geschieht mit der wachsenden Zahl medizinischer Gen-Proben in der Forschung?

Das neue Gesetz soll das Recht jedes Einzelnen stärken, selbst über seine oder ihre Geninformationen zu verfügen. Beispielsweise dürfen Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern und Versicherungen von ihren Kunden keine Gentests verlangen. Auch heimliche Vaterschaftstests werden verboten. Dahinter steht die Grundidee des Gesetzes: Genetische Tests sollen künftig nur mit Einwilligung des zu Untersuchenden möglich sein, und nur unter ärztlicher Aufsicht. Auch soll es ein Recht jedes Menschen auf Nichtwissen geben. Zu Tests darf also niemand gezwungen werden.

Hierfür gibt es Beifall von vielen Seiten. Das Gesetz sei "ein Schritt in die richtige Richtung", urteilt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in ihrer Stellungnahme. "Denn es orientiert sich an der Würde, dem Persönlichkeitsschutz sowie der Selbstbestimmung des Menschen." Der Spitzenverband der Krankenkassen und die Bundesvereinigung Lebenshilfe loben das Recht auf Nichtwissen.

Bis zuletzt feilschten Union und SPD an dem Gesetz, zu dessen Abfassung sie sich bereits im Koalitionsvertrag verpflichtet hatten. Zuletzt erzwang die CDU/CSU-Fraktion, dass ungeborene Kinder nicht auf Erkrankungen hin getestet werden, die fast ausschließlich im Erwachsenenalter auftreten, beispielsweise Brustkrebs, einige Stoffwechselstörungen oder die Nervenkrankheit Chorea Huntington. Die Union befürchtete eine steigende Zahl von Abtreibungen. Die Gesundheitsexpertin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, sprach von einem "weiteren Fortschritt". Hingegen bezeichnete ihre Kollegin von der SPD, Carola Reimann, das Verbot als unsinnig und unnötig, denn solche Tests kämen in der Praxis kaum vor. "An diesem Punkt wollten wir das Gesetz aber nicht scheitern lassen", sagte Reimann.

Es gibt auch beträchtliche Kritik an dem Gesetz. Viele Gutachter des Gesetzentwurfs, aber auch die Grünen-Fraktion bemängeln vor allem, der wichtige Bereich der Forschung bleibe ungeregelt. Die forschungspolitische Sprecherin der Grünen, Priska Hinz, kritisiert: "Der Gesetzentwurf sieht eine Öffnungsklausel vor. Die erlaubt, dass medizinische Daten, die erhoben wurden, für Forschungszwecke verwendet werden können - ohne eine Einwilligung der Betroffenen. Das ist nicht in Ordnung."

Gentests für die Forschung müssten freiwillig sein, fordert Hinz. Die Daten müssten anonymisiert oder, wenn das nicht möglich sei, pseudonymisiert werden. Zudem sollten die Betroffenen die Forschungsergebnisse erfahren können. Ähnliches fordert die Biotechnologie-Expertin Regine Kollek von der Universität Hamburg, die auch dem Deutschen Ethikrat angehört.

Umstritten ist auch eine Ausnahme vom Verbot, dass Versicherungen Gentests verlangen oder annehmen. Bei Lebensversicherungen mit einer Auszahlungssumme von mehr als 300.000 Euro dürfen die Unternehmen die Vorlage bereits erhobener Gen-Daten verlangen.

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