Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen : Schlechtes Klima bei Rot-Grün

Die Minderheitenregierung streitet über Klimaschutz: Die Grünen wollen mehr Ökoenergie, der SPD-Wirtschaftsflügel bangt um den Profite der Stromkonzerne RWE und Eon.

Was tun mit den profitablen Dreckschleudern? RWE-Braunkohlenkraftwerk in Grevenbroich-Neurath, westlich von Köln. Bild: ap

Offiziell lenkt Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eine Koalition der Harmonie. Neuwahlen im größten Bundesland seien auch nach dem schwarz-grünen Wahldesaster in Baden-Württemberg "nicht das Thema", findet die Chefin einer Minderheitsregierung, der im Düsseldorfer Landtag eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt, SPD und Grüne arbeiteten gut zusammen.

Doch hinter den Kulissen rumort es. Für Streit sorgt vor allem das neue Klimaschutzgesetz des grünen Umweltministers Johannes Remmel, das vom Kabinett im Mai abschließend beraten werden soll. Remmels Gesetzentwurf sieht vor, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid NRW-weit bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 25 Prozent zu senken. Bis 2050 sollen die Emissionen sogar um "80 bis 95 Prozent" verringert werden.

Große Energieversorger wie RWE jedoch machen seit Wochen Front gegen Remmels Pläne. Schließlich setzt der Konzern mit Sitz in Essen weiter auf die besonders klimaschädliche Braunkohle und hat im rheinischen Neurath zwei Kraftwerksblöcke im Bau. Im westfälischen Hamm wachsen zwei RWE-Steinkohlekraftwerke in den Himmel. "Nicht im Interesse unseres Landes und seiner Industrie" sei das Klimaschutzgesetz, urteilt deshalb RWE-Chef Jürgen Großmann. Und warnt vor einem "Diktat des Klimaschutzes".

Den Wirtschaftsflügel der SPD konnte Großmann bereits auf seine Seite bringen. "Ein Klimaschutzziel von 80 bis 90 Prozent gibt es laut Koalitionsvertrag für NRW so nicht", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Eiskirch. Tatsächlich nennt die rot-grüne Regierungsvereinbarung ausdrücklich nur das Klimaschutzziel von minus 25 Prozent bis 2020. Zwar wird auch die von der Bundesregierung angepeilte deutschlandweite CO2-Einsparung von 80 bis 95 Prozent erwähnt.

Wirklich festgeschrieben ist sie im Koalitionsvertrag nicht: "Auch nach 2020 müssten die Reduktionsanstrengungen in den folgenden Jahren konsequent fortgesetzt werden", heißt es stattdessen.

Monopolistisch oder dezentral?

Kompromissbereit gegenüber der Strom- und Kohlelobby gibt sich deshalb auch der SPD-Umweltexperte André Stinka. "Wichtig ist mir, dass wir unser Klimaschutzziel für 2020 erreichen", sagt er: "Ich weiß nicht, was 2050 ist." Doch auch Stinka weiß, dass "NRW einen Beitrag leisten" muss, um die ehrgeizigen Ziele des Bundes zu erreichen: Das bevölkerungsreiche Industrieland NRW verantwortet rund ein Drittel der bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen.

Der Grüne Remmel kämpft deshalb weiter für sein Gesetz. "Der Koalitionsvertrag gibt den Rahmen vor, und der ist für uns eindeutig formuliert", warnt er die Sozialdemokraten. Stromerzeuger wie RWE oder der Düsseldorfer Eon-Konzern müssten endlich in hochmoderne Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung, in denen die Abwärme Heizungen speist, investieren, so der Umweltminister: "Sonst ist ihre Zukunft bedroht und damit Arbeitsplätze."

Überhaupt sei der Kern der Auseinandersetzung nicht der Streit zwischen Ökonomie und Ökologie, sondern die Frage, "ob unsere Energie weiter von monopolistischen Großanbietern oder von dezentralen Stadtwerken hergestellt wird". Denn die setzen auch in NRW bereits auf regenerative Energien.

Unterstützung bekommt Remmel von Umweltschützern. "Angesichts der drohenden Klimakatastrophe sind wir natürlich besorgt, wenn die Klimaschutzziele für 2050 von einigen schon wieder in Frage gestellt werden", sagt Dirk Jansen, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen. Gefragt sei jetzt Ministerpräsidentin Kraft, sie müsse ihre Genossen auf Klimaschutzkurs bringen, fordert Jansen: "Kraft muss ein Machtwort sprechen."

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