Rechte Partnerbörsen im Netz: Schrei nach Liebe

Für Neonazis gibt es immer mehr Online-Partnerbörsen. Der Trend macht es schwerer, Rechtsextreme zum Ausstieg aus der Szene zu bewegen.

Ihre Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit. Bild: ap

Hass ist ihr politisches Programm. Im Privaten suchen Neonazis aber auch die große Liebe. "Wohne mitten in der Pampa, kein nationaler Mann weit und breit!!!" klagt "jorde87". Dazu hat die 22-Jährige ihren verträumtesten Blick aufgesetzt. Ein paar Mausklicks weiter posiert eine 19-Jährige als "Die Kleine" und versichert: "Bin deutsches Mädel auf der Suche ...". Und der 31jährige "ZanderBerlin" weiß: "Eine vernünftige Frau mit gesunden Ansichten zum Weltgeschehen kennen zu lernen ist in dieser kaputten Zeit wirklich nicht einfach". Auf dem Internetportal MA-Flirt dürften die rechten Singles nicht lange alleine bleiben. "Die Flirtwebsite darf als rechtslastige Partnerbörse eingestuft werden" sagt Rena Kenzo vom "Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus". Diese Angebote unterstützten aktiv die Paarbildung in der Szene.

Die Auswirkungen solcher Seiten können für den Kampf gegen Rechtsextremismus entscheidend sein, denn: „Paarbildungen führen prompt zu engen Einbindungen", sagt Kenzo. Oft steigen Neonazis nur deshalb aus der Szene aus, weil sie eine PartnerIn außerhalb des rechtsextremen Freundeskreises haben, der oder die sie zum Zweifeln bringt. Außerdem wäre ein solcher Partner einer der wenigen sozialen Kontakte, die einem Renegaten nach seinem Ausstieg noch bleiben. Patrick B., der jahrelang in der norddeutschen rechtsextremen Szene aktiv war, sagt: "Dass ich eine Freundin hatte, die nicht dazu gehörte, hat mir den Schritt nach draußen sehr erleichtert. Auch für die Zeit danach war meine Freundin sehr wichtig".

Auf der Website von MA-Flirt fallen die selbst gewählten Nicknames auf. Viele sind vermeintlich germanische Namen – "Walkuere" oder "ThorsRache". Etliche szenetypischen Zahlenkombinationen nutzen die Neonazis auf der Suche nach Freundschaft oder Liebe ebenfalls: "Steini88" aus Leipzig oder "14world" aus Braunschweig. Im Szenecode steht "88" für "Heil Hitler und "14world" für die Abkürzung des Bekenntnis des amerikanischen Neonazis David Lane: "Wir müssen den Erhalt unserer Rasse sichern und eine Zukunft für weiße Kinder". Ein Mausklick bei "14Word" und schon erklingt ihr Lieblingssong von "Agitator": "Ich bin mit Leib und Seele Nazi". Bei "Skinheadleipzig" läuft nach einem Klick ein Video: "Reißt die Hütte ab" wird gesungen, Bilder des einstürzenden World Trade Center gezeigt. Reichsfahnen, Schwarze Sonnen, NPD-Slogans wie "Gute Heimreise" und Szeneparolen wie "Good Night left Site" tauchen bei den Selbstdarstellungen auf – aber auch ein Hakenkreuz.

"Diese Kombinationen von eindeutigen Codes und Statements zur Selbstdarstellung liegt im Trend", sagt Rechtsextremismusforscherin Kenzo. Auch bei nicht-rechten Kontakt- und Partnerbörsen, so die Sozialwissenschaftlerin, wäre zu beobachten, dass "gerade jüngere Rechte, verstärkt aus Ostdeutschland, mit ihrer politischen Ideologie nicht hinterm Berg halten sondern einschlägige Lieder, Filme veröffentlichen".

Diese Partnersuche spiegelt für Kenzo wieder, dass die politischen Einstellungen öffentlich sehr selbstbewusst zum Ausdruck gebracht werden aber auch im Privatleben der Neonazis eine große Rolle spielen. In den vergangenen Jahren sind auch mehrere rechtsextreme Kontakt- und Partnerbörsen online gegangen. Oft mit einschlägigen Namen wie "germania.dating" und "partnersuche für nationalisten". Bei "Feenwald" können nach einem Klick bei der Rubrik "Kontaktbörse" Liebesuchende aus dem extrem rechten Lager "liebäugeln und anbandeln". Kenzo betont: "Viele Nazi-Foren haben oft eine Rubrik 'Partnersuche' implementiert".

Auf "Odins-Kontaktanzeigen" standen "echte deutsche Kerle" und "wirkliche deutsche Mädels" lange mit dem Fotos gleich auf der Startseite und durften offen umeinander werben. Nach Medienberichten über die Seite muss man sich heute erst registrieren, um sich das Angebot der Paarungswilligen anschauen zu dürfen. Dann sieht man auch den "Anzeigenmarkt", der mit dem Slogan "von Patrioten für Patrioten" wirbt - nicht ohne gleich zu erklären: "Patriot zu sein bedeutet nicht, dass man 'rechtsradikal' ist".

Thomas E. aus Delmenhorst verantwortet die "Kontaktanzeige", mit angeblich 700 Eintragungen. An die 600 Mitglieder sind bei "MA Flirt", den Mirco A. aus Schönefeld betreibt, eingetragen. Wie stark beide in die Neonazi-Szene involviert sind, ist derzeit unklar.

Renate Kenzo hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob Menschen ohne rechtsextreme Einstellungen über Seiten wie "MA Flirt" auch in die Neoanzi-Szene hineingezogen werden könnten. Sie glaubt, dem ist nicht so. „Die Leute auf diesen Seiten sind klar als Rechtsextreme erkennbar“, sagt die Forscherin, „da verliebt man sich nicht einfach und erkennt dann hinterher, dass man an einen Neonazi geraten ist.“ Nach ihrer Erfahrung gehen vor allem solche Menschen auf die Partnerseiten, die für rechtsextreme Einstellungen bereits offen sind oder entsprechende Freunde haben. Für diese Partnersuchenden, so Kenzo, könnten Besuche bei MA-Flirt und Co allerdings durchaus der Beginn eines tieferen Einstiegs in die Neonazi-Szene sein.

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