U-Haft wegen 1.-Mai-Randale vorbei: Schüler nach 7 Monaten frei

Sieben Monate saßen zwei Berliner Schüler in Untersuchungshaft. Sie sollen am 1. Mai einen Brandsatz gegen Polizeikräfte geschleudert haben. Jetzt wurde der Haftbefehl aufgehoben.

1. Mai 2009, Kottbusser Tor, Berlin-Kreuzberg. Bild: dpa

BERLIN taz | Als Richterin Petra Müller die Aufhebung der Haftbefehle verkündet, brechen alle Dämme. Der 20-jährige Yunus K. springt auf, nimmt seinen Freund und Mitangeklagten, den 17-jährigen Rigo B., in die Arme. Die Eltern der Jungen schlagen die Hände vors Gesicht, weinen. Zuhörer jubeln und applaudieren. Selbst die Verteidiger sind zu Tränen gerührt.

Es ist das vorweggenommene Ende eines 1.-Mai-Prozesses, der seit Monaten für Aufsehen in Berlin sorgt. Denn erstmalig wurde hier nach einem 1. Mai Anklage auf versuchten Mord erhoben - für einen Brandsatzwurf, der zwar die avisierten Polizisten verfehlte, aber eine umstehende Frau schwer verletzte. Angeklagt: Rigo B. und Yunus K., zwei Waldorfschüler, die allerdings von Anfang an jegliche Tatbeteiligung bestritten. Mit der linksextremen Szene hätten sie nichts zu tun, in Kreuzberg seien sie nur als Schaulustige gewesen. Alles sei eine Verwechslung.

Der 1. Mai 2009 war so gewalttätig wie lange nicht mehr. 289 Festnahmen und 479 verletzte Polizisten verzeichnete die Polizei, die Staatsanwaltschaft erhob mehr als 140 Anklagen. Bisher wurden 12 Mai-Randalierer zu Haftstrafen verurteilt. 11-mal wurden Bewährungen ausgesprochen und 38-mal sonstige Strafbefehle.

Auch Richterin Müller verkündete nun am Donnerstag, dass ein dringender Tatverdacht nicht mehr gegeben sei - nachdem die Schüler seit dem 1. Mai in U-Haft saßen. Seit September wird verhandelt. Das Gericht könne "Zweifel nicht überwinden", dass die Angeklagten tatsächlich einer Verwechslung erlegen seien, so Müller. Damit steht ein Freispruch kurz bevor. "Wir hatten immer damit gerechnet, dass das Gericht den Tatverdacht fallen lässt", jubelte Verteidigerin Christina Clemm.

Zwei Polizisten hatten ausgesagt, die Jungen von dem Brandsatzwurf bis zur Festnahme beobachtet zu haben. Beweise wie Videos oder Benzinspuren an der Kleidung der Angeklagten gab es nicht. Dagegen hatten Zeugen, die die Werfer gesehen hatten, Yunus K. und Rigo B. als Täter ausgeschlossen. Mitschüler forderten deren Freilassung.

Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft steht nun vor einer neuen Schlappe. Juristen hatten bereits den Mordvorwurf kritisiert. Auch bei zwei Prozessen gegen vermeintliche Autobrandstifter gab es zuletzt mangels Beweisen keine Verurteilung. Dagegen wurden zwei 19-Jährige wegen eines Brandsatzwurfes am 1. Mai zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt - wegen gefährlicher Körperverletzung. Yunus K. und Rigo B. wurden von Mitschülern vorm Gericht mit Applaus empfangen. "Krass", stammelte Yunus K. "Ich kann das alles noch gar nicht raffen."

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