Integriertes Lernen: Schule soll sich für Behinderte öffnen

Nur 15 Prozent aller behinderten Kinder besuchen eine Regelschule. Die Regierung ermutigt Eltern, dem Nachwuchs integriertes Lernen zu ermöglichen. Doch oft weigern sich Schulen.

Auch viele behinderte Kinder würden gern auf der Regelschule "gemeinsam lernen". Bild: ap

BERLIN taz | Die Zahlen sprechen eine für sich: Nur 15 Prozent der behinderten Kinder in Deutschland besuchen eine Regelschule - in Nachbarländern liegt die Quote bei bis zu 80 Prozent. Nun hat die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer (SPD), einen Ratgeber veröffentlicht. Er soll Eltern Möglichkeiten aufzeigen, ihren behinderten Kindern integriertes Lernen zu ermöglichen.

Erst im Juli hatte der vom Bundessozialministerium herausgegebene Behindertenbericht ergeben, dass die Anzahl der Hartz IV-Empfänger unter den Behinderten auch im Wirtschaftsboom zwischen 2005 und 2008 weiter gestiegen ist, ein "Alarmzeichen", wie Evers-Meyer sagte. Als eine Ursache wird geringe Integration Behinderter in das Schulsystem angesehen.

Der Ratgeber enthält Tipps zur rechtlichen Situation in den Bundesländern und Erfahrungsberichte von Familien. "Viele Eltern wünschen sich, dass ihr Kind gemeinsam mit den Nachbarskindern zur Schule gehen kann", sagt Evers-Meyer, doch "allzu häufig scheitern die Eltern an den Rahmenbedingungen."

Laut Camilla Dawletschin-Linder, der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft "Gemeinsam leben - gemeinsam lernen", versperrten allerdings zahlreiche Regelschulen behinderten Kindern den Zugang, da dies den Betreuungsaufwand erhöhen würde. "Mit Hinweis auf fehlende finanzielle Mittel werden die Anfragen abgelehnt", sagt sie.

Deshalb solle die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen werden. "Die Kultusminister müssen erkennen, dass unser Schulsystem aus den Zwanzigerjahren stammt und keinen internationalen Standards mehr entspricht", sagt sie. Dabei verlangt die UNO integriertes Lernen von behinderten und nicht behinderten SchülerInnen - auch Deutschland hat sich zu dieser Konvention bekannt. Mit Blick auf die Verantwortlichkeit der Länder mahnt Dawletschin-Linder, die Bundespolitik dürfe "sich nicht auf den Föderalismus zurückziehen".

Der Elternratgeber könne zumindest ein erster Schritt sein, die Integration zu verbessern, hofft sie, denn "nur Eltern können etwas durch ihr Engagement verändern". Ihr Fazit: "Kein Politiker bindet sich freiwillig das Thema Integrationsschule ans Bein, wenn es keinen Druck von außen gibt".

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