Buntes Bündnis im Bundesrat: Schutz für Schwule – ohne FDP?

Politiker von Grünen und CDU, SPD und Linke wollen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben verbieten. Ein Prüfstein für die neue Liberalität der FDP.

Wollen Lesben und Schwule besser schützen: Von Beust (CDU), Böhrnsen und Wowereit (beide SPD). Bild: dpa

Es herrscht Wechselstimmung an diesem Freitagmorgen im Bundesrat. Auf der Regierungsbank räkeln sich ein paar Staatssekretäre, die sich alsbald zu wichtigeren Gesprächen in die Cafeteria verabschieden, schließlich stehen nächste Woche Personalentscheidungen an. Als einzige Ressortchefin ist die scheidende SPD-Justizministerin Brigitte Zypries gekommen.

Auch im Plenum bleiben die Plätze einiger Ministerpräsidenten unbesetzt. Der Thüringer Dieter Althaus hat die Amtsgeschäfte abgegeben, der Brandenburger Matthias Platzeck verhandelt in Potsdam über ein neues rot-rotes Bündnis, wichtige Kollegen der Union sind auf Bundesebene in die schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen eingebunden. Und dann wechselt auch noch turnusmäßig der Vorsitz in der Länderkammer, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) löst den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) ab.

Auf der Tagesordnung steht eine gemeinsame Initiative der drei Stadtstaaten. Der Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit und sein Hamburger CDU-Kollege Ole von Beust wollen gemeinsam mit dem Bremer Regierungschef Böhrnsen das Grundgesetz ändern. "Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden", soll es dort künftig heißen. Schwule und Lesben fehlen bislang in der Aufzählung der Personengruppen, deren Diskriminierung die Verfassung in Artikel 3 ausdrücklich verbietet.

Es sind fast alle deutschen Parteien an der Initiative beteiligt. Die CDU regiert in Hamburg, die SPD in Bremen und Berlin, die Grünen in Hamburg und Bremen, die Linke in Berlin. Es ist die bunte Republik Deutschland, die sich an diesem Freitagmorgen in der Länderkammer präsentiert. Ausgerechnet die FDP, die sich neuerdings so gerne als Wahrerin der Bürgerrechte präsentiert, ist nicht mit von der Partie.

Aber das kann ja noch werden. Auf Anfrage wollte sich am Freitag jedenfalls keines der schwarz-gelb regierten Länder auf eine Ablehnung festlegen. Nicht einmal Bayern, das früher mit einem prompten Nein zur Stelle gewesen wäre. "Die Landesregierung hat ihre Position zu diesem Thema noch nicht abschließend festgelegt", hieß es nahezu übereinstimmend aus den Justizministerien.

Im Bundesrat erinnerte Wowereit daran, dass der Vorschlag schon Anfang der 1990er-Jahre eine einfache Mehrheit in der Kommission gefunden hatte, die nach der Vereinigung das Grundgesetz reformieren sollte. Die nötige Zweidrittelmehrheit scheiterte damals am Widerstand CDU-geführter Länder. Der Berliner Innensenator etwa fürchtete, die Neuregelung könne "Missverständnissen in erheblichem Umfang zugänglich sein".

Diesmal ist es ein Ministerpräsident der Union, der das leidenschaftlichsten Plädoyer für die Verfassungsänderung hält. "Gibt es noch Diskriminierung von Lesben und Schwulen?", fragt von Beust rhetorisch. "Es gibt keine Vorabendserie, in der nicht ein freundlicher Schwuler aus der Nachbarschaft für Toleranz werben soll. Aber die Realität sieht anders aus." Auf dem Land sähen sich Lesben und Schwule oft noch genötigt, sich zu verstecken oder wegzuziehen. Unter Muslimen oder im Sport gebe es noch starke Vorurteile. Vor allem aber seien Homosexuelle die einzige von den Nazis verfolgte Gruppe, die im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt sei.

Für die Bundesregierung spricht Zypries, es ist ihre letzte Rede im Bundesrat. Sie begrüßt die Initiative, auch wenn sie sich einmal verhaspelt und von Menschen spricht, die "homosexuell oder lesbisch" sind. Aber ihre Zustimmung ist jetzt nichts mehr wert, für die Bundesregierung wird sich ihre mutmaßliche Nachfolgerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu äußern haben. Die aber wollte sich am Freitag erst mal über ihre Erfolge in den Koalitionsverhandlungen zur inneren Sicherheit freuen - und zur Grundgesetzänderung nichts sagen.

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