Startschwierigkeiten der Regierung: Schwarz-gelbe Chaostruppe

Von A wie Afghanistan bis W wie Wachstumsbeschleunigungsgesetz - Angela Merkels Regierung gelingt bislang nichts. Und diese Woche stehen neue Konflikte an.

Wunschkoalition. Bild: dpa

Ratespiel: Gibt es eigentlich irgendetwas, das der neuen schwarz-gelben Regierung schon gelungen ist? Doch, doch, es findet sich etwas. So hat zum Beispiel Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor drei Wochen August Hanning, den Staatssekretär, langjährigen Geheimdienstchef und Protagonisten der sicherheitsneurotischen Ära Schäuble, knapp, kühl und mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand geschickt. Bei längerem Nachdenken könnte man auch die schöne Mauerfall-Fete auf der Haben-Seite des Koalitionskontos verbuchen. Der Dauerregen am 9. November war nun nicht Angela Merkels Schuld.

Vieles andere schon. Am vergangenen Freitagmittag fand das Chaos in der am 27. September gewählten "Wunschkoalition" seinen vorläufigen Höhepunkt darin, dass Franz Josef Jung (CSU) als Arbeitsminister zurücktrat. Nach 30 Tagen Regierungszeit schon der erste Rücktritt - dies war einerseits rekordverdächtig, andererseits jedoch Jungs Versagen als Verteidigungsminister zu schwarz-roten Zeiten geschuldet. Nun ist mit Ursula von der Leyen (CDU) eine Arbeitsministerin gefunden, der ebenso wie Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Verteidigungsminister eine gewisse Nähe zum Gegenstand nachgesagt werden kann.

Nichts aber weist darauf hin, dass die Kanzlerin mit ihrer Kabinettsumgestaltung die Probleme lösen wird, die sich die schwarz-gelbe Regierung in der Sache geschaffen hat. Viele der angesammelten Streitposten werden die Regierung diese Woche schon einholen.

So steht es zum Beispiel dahin, ob das 8,5 Milliarden Euro schwere "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" wie geplant am Freitag den Bundestag passieren wird (vgl. "Inland", Seite 7). Ein Unions-Ministerpräsident nach dem anderen droht mit dem Äußersten: einem Nein im Bundesrat. Zwar behauptete Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Wochenende noch, die schwarz-gelb regierten "Länder wollen den Erfolg der Bundesregierung", deshalb rechne er mit Zustimmung. Mehr als dem Erfolg der Bundesregierung waren Länderchefs bisher jedoch noch immer ihrem eigenen Posten verpflichtet: Sie brauchen Geld und haben keines zu verschenken. So schnell kann sich der Triumph einer schwarz-gelben Mehrheit in beiden Kammern auflösen.

Doch dies dürfte nicht das einzige Thema sein, wenn die Koalitionsspitzen sich am Dienstagmorgen erstmals zum Frühstück treffen, um die parlamentarische Sitzungswoche durchzusprechen.

So will jetzt die CSU den Streit über das Betreuungsgeld offenbar frühzeitig eskalieren. Eigentlich soll die 150-Euro-Prämie für Eltern erst 2013 kommen. Doch Generalsekretär Alexander Dobrindt lässt streuen, die Bayern würden einen frühzeitigen Gesetzesvorstoß im Bundesrat unternehmen, um den daheim betreuenden Müttern das Geld zu sichern. Viele CDU-PolitikerInnen und die FDP fürchten jedoch, dass dadurch Kinder aus dem stimulierenden Kita-Umfeld ferngehalten werden. Auch eine nun im Raum stehende Kompromisslösung - Betreuungsgutscheine nur fürs Präkariat - wirft die Frage auf, ab wie viel Bildungsferne den Eltern das Geld denn entzogen werden darf.

Vor der unmittelbaren Explosion steht bereits der Koalitionskonflikt um Erika Steinbach (CDU), die Chefin des Vertriebenenbundes. Nach ihrem und dem Willen der Union bekommt sie einen Sitz im Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich jedoch darauf festgelegt, dass er das Nachbarland Polen nicht derart brüskieren will.

Ein Gespräch zwischen Westerwelle und Steinbach am Donnerstag verlief ergebnis-, also versöhnungslos. Der CDU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl giftete: "Westerwelle muss sich ernsthaft fragen, ob er Außenminister Deutschlands oder Polens ist."

Voraussichtlich am Donnerstag soll außerdem der Bundestag das Afghanistan-Mandat verlängern. Nach jüngsten Umfragen ist die Zustimmung in der Bevölkerung zum Afghanistaneinsatz weiter gesunken. Schon allein, weil SPD und Grüne in der Frage selbst gespalten sind, werden sie sich ab sofort bemühen, nun Guttenbergs Informationspolitik zum Luftangriff bei Kundus anzugreifen.

"Die Kundus-Affäre ist mit dem Rücktritt von Jung noch lange nicht ausgestanden", erklärte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Sonntag. Jetzt stehe Guttenberg "an vorderster Front". Dieser hatte Anfang November das Bombardement zweier Tanklaster, bei dem vermutlich Dutzende Zivilisten starben, als unvermeidlich und "militärisch angemessen" bezeichnet. Auf welcher Informationsgrundlage er zu diesem Schluss kam, ist nach der Vertuschungsaffäre, die am Freitag Jung zu Fall brachte, noch unklarer als vorher - und wird wohl Gegenstand eines Untersuchungsausschusses.

De Maizière, der als einziger CDU-Minister außer Norbert Röttgen auf dem Bundespresseball in Berlin auftauchte, gab dort zu Protokoll, Politik sei gerade etwas turbulent. "Es ist ein durchwachsenes Gefühl." Wenn das mal nicht untertrieben war.

ANDREA NAHLES (SPD)

VOLKER KAUDER (CDU)

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