Reanimierung der Pendlerpauschale: SPD will wieder Kurzstrecken erstatten

Die Sozialdemokraten wollen die Kürzung der Pendlerpauschale rückgängig machen. Finanzminister Steinbrück leistet kaum Widerstand - und nun springt auch noch Christian Wulff auf den Zug.

Seit Januar nur noch ab dem 21. Kilometer absetzbar: Fahrt zur Arbeit Bild: dpa

BERLIN taz Die 15 Millionen Pendler in Deutschland können bald vielleicht wieder den vollen Arbeitsweg beim Finanzamt geltend machen. Damit liebäugelt derzeit die SPD, und auch die CDU zeigt sich beweglich. Stefan Olbermann, Sprecher von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück: "Wir sind gebeten worden, die Alternativen zur derzeitigen Regelung durchzurechnen." Der Finanzminister stehe einer Änderung zwar skeptisch gegenüber, verweigere sich ihr aber nicht. Unterstützt wird die Rückkehr zur ursprünglichen Regelung dagegen von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff wie von NRW-Finanzminister Helmut Linssen (beide CDU).

Es wäre ein Revival: Bis Anfang des Jahres konnten Pendler - egal, ob sie mit Bus, Auto, Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit kamen - für jeden Kilometer 30 Cent beim Finanzamt angeben und so ihre Einkommensteuer senken. Doch die große Koalition hat die Pendlerpauschale radikal zusammengestrichen - um die öffentlichen Haushalte zu entlasten. So sind seit Anfang 2007 die ersten 20 Kilometer zur Arbeit Privatangelegenheit jedes Beschäftigten. Erst vom 21. Kilometer an sind 30 Cent je Kilometer steuerlich absetzbar. Der Staat zahlt deshalb nur halb so viel wie zuvor und spart so rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr ein.

Ein Problem für die schwarz-rote Koalition: Steuerrechtler halten die Reform für verfassungswidrig. Die Finanzgerichte Niedersachsen und Saarland haben sich ihnen angeschlossen und eine Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht verlangt. Mit Blick auf die kritischen Stimmen hat im August auch der Bundesfinanzhof "ernstliche Zweifel" an der Verfassungskonformität geäußert, ohne sich selbst festzulegen. Die Kritiker sehen das Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes verletzt, wenn Bürger nicht nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Vom Einkommen seien alle Ausgaben abzuziehen, die erforderlich sind, um Geld zu verdienen - auch die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz. Finanzminister Steinbrück hält dem entgegen, dass der Weg zur Arbeit eine "gemischte Aufwendung" darstelle, die auch die private Lebensführung betreffe. Schließlich bestimme der Bürger selbst, wo er wohnen will. Dass Fernpendler ab dem 21. Kilometer weiterhin die Pauschale bekommen, sei eine reine Härtefallregelung.

Die Finanzgerichte in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern sahen in diesem steuerlichen Systemwechsel keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht, das in den letzten Jahren meist den Spielraum des Gesetzgebers im Steuerrecht betonte, wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2008 entscheiden. Die Steuerverwaltung hat den Pendlern im September allerdings erlaubt, auch dieses Jahr die vollen Fahrtkosten auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Die Pendler müssten also nachzahlen, falls Karlsruhe die gesetzliche Kürzung der Pauschale bestätigt. Das wäre gerade in Wahlkampfzeiten unpopulär.

Die Koalition ist offen für eine Rückkehr zur Pendlerpauschale für alle. Sie dürfe den Staat jedoch nichts kosten, sagte der CDU-Finanzpolitiker Otto Bernhardt. Auch das hat die SPD bedacht: Sie will die Pendlerpauschale künftig auf 20 bis 25 Cent pro Kilometer begrenzen. Hier und da gibt es aber auch Widerstand: So erklärte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU), der Frankfurter Rundschau es gebe keinen Grund, von der seit Anfang des Jahres geltenden Fassung der Pauschale abzurücken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.