Antisemitismus in Hannover: Steinwürfe auf Juden

Bei einem Stadtteilfest in Hannover sollen Jugendliche eine jüdische Tanzgruppe attackiert haben. Sozialarbeiter vermuten aber nur eine spontane Aktion dahinter.

Er ist über den Vorfall nicht erfreut: Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil. Bild: dpa

HANNOVER taz | Nach den Steinwürfen auf eine jüdische Tanzgruppe in Hannover hat die Polizei inzwischen sechs Tatverdächtige deutscher, nordafrikanischer und arabischer Herkunft im Alter von neun bis 19 Jahren ermittelt. In Hannover heißt es, derartige Vorfälle habe es bisher nicht gegeben.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat allerdings einen erhöhten Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen türkischer, arabischer und nordafrikanischer Herkunft festgestellt. Je religiöser muslimische Jugendliche seien, desto negativer seien sie Juden gegenüber eingestellt.

Bei einem internationalen Stadtteilfest war am Wochenende eine jüdische Folkloregruppe beleidigt und mit Kieselsteinen beworfen worden. Zeugen hatten zunächst zehn bis 15 Jahre alte Kinder und Jugendliche aus libanesischen, iranischen und palästinensischen Familien als Täter ausgemacht.

Nach Einschätzung des Stadtteiltreffs, der das Fest organisierte, handelte es sich aber "um keine von langer Hand vorbereitete, sondern eher spontan am Rand des Festes entstandene Aktion". Der Stadtteiltreff hat Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Körperverletzung gestellt.

Die Liberale Jüdische Gemeinde, deren Gruppe angegriffen worden war, reagierte entsetzt. Solche schrecklichen Vorfälle habe es in Hannover noch nicht gegeben. "Wir freuen uns, dass sich viele mit uns solidarisieren", sagte die Sozialarbeiterin Alla Volodarska.

Auch der Stadtjugendring hat bisher keine antisemitischen Übergriffe in Hannover beobachtet. "Der Stadtteil Sahlkamp ist hochbrisant", räumt dessen Leiter Wilfried Duckstein allerdings ein. Gleichwohl hätten die Jugendarbeiter hier auch positive Erfahrungen gemacht, etwa mit einem Projekt, bei dem junge Israelis muslimische Kinder betreuten. 63 Prozent der Sahlkamper Jugendlichen gelten als arm.

Duckstein forderte mehr aufsuchende Jugendarbeit. Bei Oberbürgermeister Stephan Weil dürfte er damit offene Türen einrennen. "Jugendarbeit ist den Störern und Steinewerfern gegenüber genauso oder vielleicht sogar noch stärker gefragt als die Strafverfolgung", sagte er.

Der Rat der Islamischen Gemeinden Niedersachsens verweist darauf, dass er mit Hilfe gemeinsamer Projekte, etwa einer überkonfessionellen Kita, das gegenseitige Verständnis zu fördern versuche.

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