Demos gegen Vorratsdatenspeicherung: Totengräber für den Datenschutz

Bürgerrechtler demonstrieren gegen Speicherung von Verbindungsdaten: "Wenn die Regelung durchkommt, ist der Datenschutz tot."

Dunkle Gestalten vor dem Reichstag. Bild: dpa

BERLIN taz Um die Vorratsdatenspeicherung in letzter Sekunde zu stoppen, sind am Dienstagabend nach Angaben der Veranstalter bundesweit mehrere tausend BürgerInnen auf die Straße gegangen. Allein in Berlin zählte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung etwa 1.500 Demonstranten. Die Polizei sprach von rund 400 TeilnehmerInnen, die trotz Regen mit Laternen, Grablichtern und beleuchteten Transparenten neben dem Reichstag demonstierten.

Die Proteste richten sich gegen den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, der am Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll. Der Entwurf sieht eine sechsmonatige Speicherung aller Kommunikationsverbindungen vor. Gespeichert werden soll nicht der Inhalt der Telefongespräche und E-Mails, sondern nur, wer wann mit wem wie lange kommuniziert hat.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete in ihrem Redebeitrag den Gesetzentwurf als Paradigmenwechsel im Datenschutz. "Wenn diese Regelung durchkommt, können sie den Datenschutz begraben." Es sei nicht auszuschließen, dass mit den Verbindungsdaten auf Inhalte von Telefongesprächen zugegriffen werden könnte. Bedenken müsse man, "dass die Dienste immer mit im Boot sind."

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, ein Volk werde mit dem Gesetz zu "potentiellen Straftätern und Verfassungsfeinden" erklärt. "Wenn es damals hieß, wir lassen uns nicht zählen, dann muss es heute heißen, wir lassen uns nicht speichern", sagte der Grüne in Anspielung auf die Demonstrationen anlässlich der Volkszählung 1983. Wer mit wem Kontakt hatte, erklärte Ströbele weiter, gehe den Staat nichts an.

Weil die Bundesregierung mit dem Entwurf die Berufsgeheimnisträger nicht so umfassend schütze, wie es geboten wäre, sei "unser Leben künftig weniger frei" Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, dass Ärzte, Journalisten und Anwälte anders als Abgeordnete und Geistliche nur eingeschränkt vor Überwachung geschützt werden sollen.

Außerdem, so Ströbele, gehe es bei dem Gesetz nicht nur um die Verbindungsdaten der Telekommunikation, sondern um die Überwachung insgesamt. Ähnlich hatte sich am Dienstag in Berlin auch Hartmut Kilger, Präsident des Deutschen Anwaltverein, geäußert. Das Gesetz enthalte einen Passus, der dem "Staatshacking Tür und Tor öffnet", sagte er. "Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Vorschrift so interpretiert wird."

Die knapp 50 Organisationen, die sich im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammengeschlossen haben, sehen in dem Gesetzesvorhaben einen "Generalangriff auf Bürgerrechte und Datenschutz in Deutschland". Sie bereiten eine Verfassungsbeschwerde vor, die nach ihren Angaben bislang von 6.500 Einzelpersonen unterstützt wird.

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