Debatte um CDU-Vorschlag: Viel Kritik für Deutsch im Grundgesetz

Anti-Integrationspolitik oder identitätsstiftend? Quer durch alle Fraktionen hindurch streiten Politiker über den CDU-Vorschlag, Deutsch im Grundgesetz zu verankern.

Wie viel Grundgesetz braucht die deutsche Sprache? Bild: dpa

BERLIN dpa/taz Auch Tage nach der CDU-Forderung nach einer Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz wird der Vorschlag quer durch alle Fraktionen noch immer heiss diskutiert.

Nachdem selbst innerhalb der Union Kritik an der Forderung laut geworden war, verteidigte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), den Parteitagsbeschluss. "Deutsch ist das Band, das in Deutschland alle Menschen verbinden soll", sagte sie im ZDF- "Morgenmagazin". Deshalb sei es auch "wichtig und gut", die deutsche Sprache ins Grundgesetz zu schreiben.

Die CDU-Politikerin wandte sich gegen die Kritik der SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan. Deren Vorwurf, die CDU mache Anti-Einwanderungspolitik, widersprach Böhmer deutlich: "Ich finde es unerhört, wenn man das unterstellt." Schwan hatte am Mittwoch gegenüber Spiegel Online den CDU-Beschluss außerdem als "falsches Signal" und "Fortsetzung einer aversiven Politik gegen Einwanderer" bezeichnet und sich statt dessen für die Förderung von Mehrsprachigkeit ausgesprochen. Mit diesen Äußerungen hatte sie bereits am Mittwoch viel Kritik geerntet.

Doch auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele lehnte der Vorschlag entschieden ab - mit einem ähnlichen Argument wie Schwan. "Das wäre eine schriftliche Lüge", sagte er am Donnerstag im Deutschlandfunk. In der Bundesrepublik würden viele Sprachen gesprochen. Ein solcher Beschluss hätte nach Ströbeles Ansicht etwas Ausschließendes.

Sein Parteichef Özdemir sagte der Neuen Westfälischen, als Verfassungspatriot halte er nichts von dem CDU-Vorschlag. Das Grundgesetz sei keine "Lose-Blatt-Sammlung, wo man einfach alles hineinschreiben kann, was einem so in den Sinn kommt". Wenn es darum gehe, Deutsch zu stärken, sollte man sich um die Schulen kümmern und Geld in die bessere Ausbildung und Bezahlung von Erziehern stecken, sagte Özdemir.

Ähnlich argumentierte FDP-Chef Guido Westerwelle. Er sagte dem Hamburger Abendblatt: "Viel wichtiger als Deutsch im Grundgesetz ist Deutsch an den Schulen."

Der SPD-Linke Björn Böhning sagte den Ruhr-Nachrichten: "Die CDU leistet sich einen deutschtümelnden Irrlauf." Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) unterstützt dagegen die Forderung der CDU. "Ich bin dafür", sagte der in Hannover erscheinenden Neuen Presse. "Dieser Vorschlag fordert eigentlich etwas Selbstverständliches der massive Widerstand dagegen ist irritierend und zeigt, dass wir darüber diskutieren müssen."

Der SPD- Politiker wies auch die Kritik aus den eigenen Reihen zurück, hinter dem CDU-Vorstoß stecke Deutschtümelei und Integrationsfeindlichkeit. "Das ist nicht ausländer- oder integrationsfeindlich. Ich halte diese Vorwürfe für unangemessen", sagte der Parlamentsvizepräsident.

Bundestagspräsident Norbert Lammert verteidigte hingegen den Beschluss des Stuttgarter CDU-Parteitages. "Es ist ganz gewiss nicht übertrieben, den wesentlichen Kern der kulturellen Identität unseres Landes, nämlich die Landessprache, auch in der Verfassung zu verankern", sagte er der Berliner Zeitung.

Der CDU- Politiker äußerte sich verwundert über die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in der Vergangenheit der Aufnahme der deutschen Sprache in das Grundgesetz bereits zugestimmt habe. Er wies entschieden den Vorwurf zurück, der gegen den Willen der CDU-Führung gefasste Parteitagsbeschluss trage ausländerfeindliche oder undemokratische Tendenzen.

Bereits am Mittwoch hatte der stellvertretende CSU-Chef Peter Ramsauer davor gewarnt, das Grundgesetz mit solchen Vorschlägen "zu malträtieren und zu traktieren". "Wenn man das Grundgesetz öffnet, muss man sehr sorgfältig damit umgehen." Andere CSU-Führungspolitiker begrüßten dagegen den Beschluss vom Stuttgarter CDU-Parteitag.

Kritik an dem Vorschlag nimmt auch in der CDU zu - etwa seitens des nordrhein-westfälische Integrationsministers Armin Laschet, der eine solche Grundgesetzänderung schlichtweg für überflüssig hält. "Das muss man nicht ins Grundgesetz hineinschreiben", sagte er dem WDR. "Das ist eine Selbstverständlichkeit."

Und auch Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki meldete sich in der Debatte zu Wort: Er sagte Focus Online, das Bekenntnis im Grundgesetz könne nicht schaden.

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