Zwei Karrieren in der CDU: Wer Rentner schmäht, steigt auf

Ein CDUler fordert doppeltes Wahlrecht für Leistungsträger. Ein anderer spricht Alten die Hüftgelenke ab - beide steigen auf: Haben Gegner von Rentnern in der Union bessere Chancen?

Anfang einer Karriere: Philipp Mißfelder kommt 2003 auf die Idee, Rentnern die Arztleistungen zu kürzen. Bild: dpa

Gottfried Ludewig, Bundesvorsitzender des CDU-nahen Studierendenverbandes RCDS, hat die laufende Umverteilungsdebatte um drei Thesen bereichert. In einem knappen Brief an die CDU-Verbände schrieb Ludewig am Donnerstag: Erstens orientieren sich die Parteien "mehr an den Empfängern staatlicher Leistungen" als an den 26 Millionen Arbeitnehmern. Zweitens: "Allein mit Hartz-IV-Beziehern und Rentnern kann der soziale Ausgleich nicht funktionieren". Drittens: "Die Lösung könnte ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht bei Bundestags- und Landtagswahlen für alle Leistungsträger in Deutschland sein."

Wie das Grundgesetz dafür genau zu ändern wäre, schrieb Ludewig nicht. Doch schloss er mit dem Wort "Leistungsträger" wahrscheinlich nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Selbständige und Begüterte ein.

Ludewig, 25-jähriger Doktorand der Gesundheitsökonomie an der Technischen Universität Berlin, ist erst im vergangenen März zum RCDS-Chef gewählt geworden. In dieser Funktion sitzt er auch im Bundesvorstand der CDU. Mit seiner Anregung stellt sich Ludewig in die Tradition der Parteipolitik, wonach junge Leute immer etwas radikaler sein dürfen als die Großen. Ihre Unverdorbenheit und Frische äußert sich vor allem dadurch, dass sie in ihren Forderungen zwar oft über das Ziel hinausschießen, im Grunde aber nur aussprechen, was viele der Erwachsenen nur denken dürfen.

Als Vorbild Ludewigs darf daher der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, gelten, der bald nach seinem Amtsantritt 2003 durch die Idee berühmt wurde, Gesundheitsleistungen für Rentner zu beschränken. "Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen", erklärte Mißfelder damals. Früher seien die Leute schließlich auch auf Krücken gelaufen. Mißfelder kam weiter: Nach einem kurzen Reputations-Tief schaffte er es 2005 als Abgeordneter in den Bundestag. Er kandidiert in Nordrhein-Westfalen, Land des als sozial geltenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, drum hat der heute 28-Jährige mittlerweile seinen Ton ein wenig gemildert.

Darin, dass die CDU bekennenden Rentnergegnern eine Aufstiegsoption nicht vorenthält, unterscheidet sie sich offenbar von der FDP. Jedenfalls verschwand der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Jan Dittrich, 2005 in der Versenkung, nachdem er eine Presseerklärung mit "Alte, gebt den Löffel ab" betitelt hatte. Dittrich führte aus: "Die Alten leben auf Kosten der Jungen." Sein Vorschlag: "Es wird Zeit, dass die Alten von ihrem Tafelsilber etwas abgeben - einen Löffel oder besser gleich ein paar davon!"

Obwohl dies zumindest offen ließ, ob Dittrich nicht lediglich einen sozialen Beitrag von begüterten Senioren mit zu viel teurem Besteck verlangte, musste er zurücktreten. Nach allem, was man hört, ist er seither bei der FDP auch zu nichts weiter gekommen.

Ob Ludewig mit seinem Vorschlag zur Verfassungsänderung nun eine Beförderung in der CDU bevorsteht, blieb am Freitag freilich offen. Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), der Sozialflügel der CDU, empfand die Idee, das Wahlrecht zugunsten von Arbeitnehmern zu stärken, zunächst nicht als Unterstützung ihrer Sache. CDA-Hauptgeschäftsführer Martin Kamp kicherte: "Ist ja irre", und ergänzte: "Der hat einen Knall." Kamp erklärte, es habe eine Zeit gegeben, als es beim Unions-Nachwuchs eher schick gewesen sei, linker als die Mutterpartei zu sein.

Irgendwann in den 1980er-Jahren muss dies allerdings ins Gegenteil gekippt sein. Doch ist etwa Hildegard Müller, Mißfelders Vorgängerin und JU-Chefin von 1998 bis 2002, nie in ähnlicher Weise wie die Herren Mißfelder oder Ludewig aufgefallen - obwohl sie gewiss nicht zum linken Rand der CDU gehört.

Müller ließ sich eine halbe Stelle bei der JU von ihrem Arbeitgeber Dresdner Bank sponsern, verstand dies aber nie als illegitime Verquickung von Wirtschaft und Politik. Gerechterweise muss man unterstellen, dass sie auch ohne die finanzielle Unterstützung ihrer JU-Arbeit niemals ein Wort geäußert hätte, das gegen die Interessen von Großbanken gegangen wäre. Heute ist sie Staatsministerin im Kanzleramt von Angela Merkel.

Möglicherweise bildet sich in den Karrieremethoden Müllers auf der einen, Mißfelders und Ludewigs auf der anderen Seite so auch ein Geschlechterunterschied ab. Dann aber bliebe festzuhalten, dass Müller es auf jeden Fall schon weiter gebracht hat, als Mißfelder oder Ludewig es je bringen werden.

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