Interview mit Hermann Scheer: "Ypsilanti hat politisch überzeugt"

Hessens SPD-Chefin hat keine Fehler gemacht, sagt der Ypsilanti-Vertraute Scheer im taz-Interview.

"Die haben nicht nur Ypsilanti ins offene Messer rennen lassen, sondern eine ganze Partei." Bild: dpa

taz: Herr Scheer, in Hessen scheint es auf Neuwahlen zuzulaufen. Falls das passiert - wie stehen die Chancen der SPD?

Hermann Scheer: Bei Neuwahlen tritt eine völlig neue Situation ein. Es wäre ein kurzer, stark polarisierter Wahlkampf, der sich auf die Personen Koch und Ypsilanti zuspitzen würde. Aktuelle Prognosen, die der SPD ein schlechtes Ergebnis voraussagen, wären dann nicht mehr aussagekräftig.

Würde die SPD mit Andrea Ypsilanti in einen solchen Wahlkampf ziehen?

Das hängt allein von Andrea Ypsilanti ab. Eines ist klar: Sie wird in der hessischen SPD emotional und politisch breiter getragen als je zuvor.

Schließen Sie einen Rücktritt aus?

Heckenschützen sollten nie ein Grund für einen politisch motivierten Rücktritt sein. Andrea Ypsilanti hat einzigartige Nervenstärke bewiesen und trotz aller Angriffe politisch und als Person überzeugt.

Ob sie nun Schuld trifft oder nicht, ihr Name ist künftig mit einer Niederlage verbunden.

Diese Sicht teile ich nicht. Die Täter sind schuld, nicht das Opfer. Die drei Abgeordneten - ich rede nicht von Dagmar Metzger - haben in den vergangenen Wochen immer wieder versichert, dass sie Ypsilanti wählen. Es gab Regionalkonferenzen, es gab mit allen Vieraugengespräche, Probeabstimmungen, es gab zwei Parteitage - das Koalitionsprogramm wurde im Landesvorstand einstimmig gebilligt. Wenn all das nicht ausreicht, sich auf ein Wort zu verlassen, dann reicht nichts mehr aus.

Jürgen Walter kritisiert etwa den Kurs beim Flughafenausbau. Hätte Ypsilanti ihn einbinden müssen?

Walter hat mit mir zusammen jede Silbe des Koalitionskompromisses zum Flughafen Frankfurt mit den Grünen ausgehandelt. Und ihm intern zugestimmt. Dann kurz darauf das Gegenteil zu behaupten, ist schlicht und einfach unlauter.

Hätte Ypsilanti Walter das Wirtschaftsministerium versprochen, nicht Ihnen - wäre die Sache anders gelaufen?

Nein. Es war von Anfang an klar - intern und öffentlich -, dass ich Wirtschaftsminister werden sollte, Walter sollte das Innenministerium bekommen. Dies war immer klar. Hinzu kommt, dass es bei diesem Versuch darum ging, inhaltliche Wahlversprechen einzulösen. Eine neue Ausrichtung der Wirtschaft in Hessen, die eng mit neuen Energien verbunden ist, war zwangsläufig mit mir verbunden. Wer hätte diese Inhalte umgesetzt?

Sie werden jetzt auch nicht umgesetzt.

Dennoch, man hätte uns zu Recht vorwerfen können: Der SPD geht es nur um die Regierungsmacht, dafür gibt sie von sich aus ihre Reformziele preis. Ein solches Postengeschiebe hätte die Regierung unglaubwürdig gemacht.

Wie bewerten Sie das Verhalten der vier Abgeordneten?

Die haben nicht nur Andrea Ypsilanti ins offene Messer rennen lassen, sondern eine ganze Partei. Klar ist: Ihr Argument, ihr Gewissen erlaube kein anderes Handeln, nimmt ihnen keiner ab.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE

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