NS-Aufarbeitung: Zuviel linke Unterzeichner

Urteile gegen "Kriegsverräter" werden nicht pauschal aufgehoben- die SPD befürchtet, die Union könnte dies ausschlachten

Ehemaliger NS-Reichsgerichtshof in Leipzig Bild: dpa

BERLIN taz | Die Liste liest sich ansehnlich. Der Sozialdemokrat Wolfgang Thierse hat unterschrieben, auch Stephan Hilsberg, der jeder Sympathien für die Linkspartei unverdächtig ist, die SPD-Vize Andrea Nahles, der SPD-Rechte Sebastian Edathy und der Netzwerker Hans-Peter Bartels.

Auch der FDP-Abgeordnete Konrad Schily hat unterschrieben, ebenso zwei Bundestagsabgeordnete mit CDU-Parteibuch, Gerhard Wächter und Hans Heinrich Jordan. Sie alle wollen, dass die NS-Urteile gegen die so genannten Kriegsverräter nach 64 Jahre aufgehoben werden. Die Namen von 138 Bundestagsabgeordneten stehen unter dem Gruppenantrag, der die pauschale Rehabilitierung der "Kriegsverräter" anstrebt. Doch dass diese, von der Linkspartei und den Grünen forcierte, Initative Erfolg hat, ist unwahrscheinlich.

Vor allem der Linkspartei-Politiker Jan Korte versucht seit drei Jahren im Bundestag die Rehabilitierung der lange schlecht beleumdeten Kriegsverräter durchzusetzen. Fahrt kam in die Debatte als der Militärhistoriker und SPD-Genosse Wolfram Wette in einer exemplarischen Studie zeigte, dass "Kriegsverräter" - ebenso wie Deserteure und Kriegsdienstverweigerer - Opfer der NS-Willkürjustiz waren.

Für das in konservativen Kreisen gepflegte Vorurteil, dass "Kriegsverräter" unschuldigen Dritten Schaden zufügten, fand Wette keinen einzigen Hinweis. Als "Kriegsverräter" wurden vor allem einfache Soldaten hingerichtet. Dass die Verachtung dieser NS-Opfergruppe so zählebig war, hat offenbar auch eine klassenspezifische Tönung.

2002 hatte die SPD die Kriegsverräter, anders als Deserteure, noch von der Rehabilitierung ausgenommen. Nach langem Zögern hat sie ihre Haltung geändert. Auch bei der Union ist etwas in Bewegung. So teilte Verteidigungsminister Franz Josef Jung kürzlich mit, dass das Ministerium rechtlich gesehen keine triftigen Einwände gegen die Aufhebung der NS-Urteile sieht. Doch der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, blieb hart.

Der Gruppenantrag ist die letzte Chance, 2009 die Aufhebung der Urteile zu realisieren. Doch die SPD scheint Angst vor der eigenen Courage zu bekommen. Die SPD-Abgeordneten Carl Christian Dressel und Joachim Stünker fordern ihre Kollegen auf, den Gruppenantrag nicht zu unterstützen - obwohl sie ihn inhaltlich für richtig halten.

Am Donnerstag schrieben die beiden an die Fraktion: "Wir müssen davon ausgehen, dass ein Gruppenantrag mit einer etwaigen rot-rot-grünen Bundestagsmehrheit in dieser symbolbehafteten Frage die Union dazu bringt, diese Konstellation im Wahlkampf auszuschlachten. Wir bitten Euch daher, den Gruppenantrag - ungeachtet seiner inhaltlichen Richtigkeit - nicht zu unterzeichnen."

Dies scheint auch die Linie der SPD-Fraktion zu sein. Die SPD- Abgeordnete Christine Lamprecht, die für die Sozialdemokraten mit der Causa Kriegsverräter befasst ist, hat die Hoffnung trotzdem noch nicht aufgegeben. An die SPD-Fraktion schreibt sie: "Wir suchen nach Möglichkeiten, den Gruppenantrag trotzdem noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden." Auch der Linksparteipolitiker Korte appelliert, sich nicht von "Tricks und parteipolitisch motivierten Unterstellungen" beeindrucken zu lassen. Die Aufhebung der NS-Urteile ist "kein rot-rot-grünes Projekt". Es müsste, so Korte, "ein Anliegen des ganzen Bundestages sein.

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