Mädchen sollen in Jugendheim: Gezerre um drei Waisen

Drei Mädchen halten sich mit ihrer Tante versteckt. Das Jugendamt will die Waisen aus Nigeria zwingen, in einem Heim zu wohnen. Am Dienstag verhandelt ein Gericht.

Ginge es nach dem Jugendamt, dann wäre die "Burg Sonnenschein" im sächsischen Markneukirchen künftig das Zuhause der nigerianischen Waisenkinder Sophia, Sandra und Sonia. Im Juni ließ die Behörde die drei Mädchen aus einem Flüchtlingsheim in das Kinderheim bringen - und trennte sie dafür von ihrer allein erziehenden Tante, der nigerianischen Asylbewerberin Claudia O. Doch vor zehn Tagen türmten die Kinder aus "Sonnenschein". Seitdem halten sie sich mit der hochschwangeren O. versteckt. Seit heute vormittag verhandelt das Amtsgericht Plauen, ob die Mädchen bei Claudia O. bleiben dürfen - oder O. wegen Kindesentzugs bestraft wird.

Vorangegangen ist eine dramatische Auseinandersetzung zwischen O. und der Ausländerbehörde. Seit Jahren lebt die Familie unter desolaten Bedingungen in sächsischen Flüchtlingsheimen. Das erste wurde wegen des schlechten Zustandes geschlossen. Beim zweiten handelt es sich um eine frühere Kaserne nahe Posseck an der tschechischen Grenze. Zu fünft teilte sich die Familie ein Zimmer. "Unerträglich" sei es dort gewesen, teilt O. in einer schriftlichen Erklärung mit. Andere Kinder gab es nicht, die Mädchen seien "völlig isoliert" aufgewachsen. Erst seit Januar konnten sie eine Schule besuchen. Immer wieder bemühte sich O. bei der Ausländerbehörde deshalb um eine Wohnung.

Mitte April eskalierte die Situation zum ersten Mal. Die 13-jährige Sonia lief davon und wurde von der Polizei aufgegriffen. Vorübergehend brachte man das Mädchen in ein Kinderheim der Arbeiterwohlfahrt. Als nach einigen Tagen ihre beiden 14 und acht Jahre alten Schwestern zu Besuch kamen und die drei erklärten, sie wollten nicht nach Posseck zurück, riefen die Erzieher die Polizei. Die Beamten führten die Mädchen nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen in Handschellen ab.

O. drängte weiter darauf, in eine Wohnung umziehen zu können. Im Juni willigte sie ein, dass die Kinder übergangsweise in der "Burg Sonnenschein" untergebracht werden. Doch sobald die Familie getrennt war, begann das Jugendamt, den Kontakt zwischen O. und den Mädchen zu unterbinden - und ließ sich schließlich als Vormund der Waisen einsetzen. Unmittelbar danach wurde der Antrag auf eine Wohnung mit der Begründung abgelehnt, die besondere Härte für die Kinder sei nun entfallen.

"Frau O. ist nicht die Mutter der Mädchen", sagt die Sprecherin des Vogtlandandkreises, Kerstin Büttner. Die Mädchen seien "im Sinne des Kinderwohles untergebracht" und hätten sich schließlich "selbst in die Inobhutnahmestelle begeben." Im übrigen sei O. zu "jeder Zeit in das Vormundschaftsverfahren eingebunden" worden.

O.s Leipziger Anwältin Nina Maiwald widerspricht: "Frau O. wurde nicht über die Entscheidung informiert und das Jugendamt hat keinen einzigen Grund angegeben, weshalb sie nicht der Vormund sein kann." Die Kinder hätten wegen der unzumutbaren Wohnsituation Posseck verlassen wollen und keineswegs, weil sie nicht mit ihrer Tante zusammenleben wollten.

2004 kam O. mit ihrer leiblichen Tochter Dammiana nach Deutschland, wo diese wegen einer drohenden Genitalverstümmelung Asyl erhielt. Die drei Töchter von O.s bei einem Unfall gestorbenen Bruder folgten 2006. Seither sei die Tante ihre wichtigste Identifikationsfigur: "Sie sehen Claudia O. als ihre Mutter", sagt Maiwald.

Als O. am 10. Oktober zur "Burg Sonnenschein" kam, ließ man sie nicht herein. Die Mädchen kletterten daraufhin aus einem Fenster. Seitdem sucht die Polizei die Familie. Heute wollte O. trotz allem zur Gerichtsverhandlung erscheinen. "Wir zweifeln an, dass rechtmäßig ist, was hier versucht wird", sagt Anwältin Maiwald.

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