Terroranschläge von Madrid: Bis zu 42.000 Jahre Haft für Attentäter

Im Prozess um die Terroranschläge in der spanischen Hauptstadt von 2004 gab es einige unerwartete Rechtssprüche: 21 Angeklagte wurden verurteilt, sieben aber freigesprochen.

Angeklagte werden zum Gericht gebracht Bild: dpa

MADRID taz Die Anschläge vom 11. März 2004 auf Pendlerzüge in Madrid, bei denen 191 Menschen ermordet und 1.900 Menschen verletzt wurden, waren die schlimmsten Anschläge der spanischen Geschichte. Ihnen folgte der größte Terrorprozess der spanischen Geschichte, der am Mittwoch mit einigen unerwarteten Urteilen endete: 21 Angeklagte wurden verurteilt, sieben aber freigesprochen.

Des Mordes für schuldig befunden wurden nur drei Angeklagte anstatt, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, acht. Der Spanier José Emilio Suárez Trashorras, der den Sprengstoff besorgt und an die Islamistenzelle verkauft hatte, der Marokkaner Jamal Zougam, der mindestens eine Bombe angebracht hatte, und der Marokkaner Osman al-Gnaoui, der die rechte Hand des Chefs der Operation war, erhielten Strafen zwischen 34.000 und 42.000 Jahren. Diese Strafmaße sind freilich symbolisch. Denn die maximale Haftdauer wegen einer terroristischen Straftat beträgt in Spanien 40 Jahre, eine lebenslange Haft gibt es nicht.

Vier Angeklagte wurden von dem Vorwurf freigesprochen, an der Planung beteiligt gewesen zu sein, müssen aber wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ins Gefängnis. 14 Beschuldigte wurden wegen geringerer Straftaten zu unterschiedlichen Haftstrafen verurteilt. Sieben weitere mutmaßliche Beteiligte schließlich standen gar nicht vor Gericht. Drei Wochen nach den Anschlägen sprengten sie sich in die Luft, nachdem sie in einem Haus in einem Madrider Vorort von Polizisten umstellt worden waren.

Überraschend kam der Freispruch für Rabei Osman al-Sayed, den die Staatsanwaltschaft für den Chefideologen der Islamistenzelle von Madrid hielt. Doch das Gericht mit dem Vorsitzenden Javier Gómez Bermúdez wollte dies nicht nachvollziehen. Der in Italien als Mitglied einer terroristischen Vereinigung einsitzende Ägypter soll in einem von den italienischen Ermittlern abgehörten Gespräch geprahlt haben, dass die Idee der Bomben in Madrid von ihm stamme und die Täter seine Freunde seien. Die Übersetzung der vereidigten Dolmetscher in Madrid konnten diese Sätze allerdings nicht hören. Al-Sayed, gegen den 38.000 Jahre Haft gefordert wurden, war per Videokonferenz aus Mailand zugeschaltet. Er brach in Tränen aus, als er das Urteil vernahm.

Eine wie auch immer geartete Beteiligung oder Verbindung der baskischen Separatistenorganisation ETA schloss der Richter aus. Ein Teil der spanischen Presse sowie die oppositionelle Volkspartei hatte bis zuletzt versucht, eine solchen Zusammenhang herzustellen. Damit sollte der zur Tatzeit regierende José María Aznar und seine Regierung im Nachhinein bestätigt werden. Diese hatte lange Zeit versucht, das Massaker der ETA anzuhängen, um vom Zusammenhang zwischen islamistischem Terror und der Beteiligung Spaniens am Irakkrieg abzulenken. Doch dieser Versuch scheiterte. Nur drei Tage nach den Anschlägen wählten die belogenen Spanier den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, der bald den Rückzug aus dem Irak einleitete. Die heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der Opposition wirken bis heute fort.

In dieser angespannten Situation hatte der Urteilsspruch großes Interesse geweckt. Entsprechend groß war der Andrang vor dem eigens für den Prozess hergerichteten Saal auf dem alten Messegelände. Die Überlebenden und die Angehörigen der Toten verfolgten in einem eigenen Raum, wie der Richter in etwas mehr als einer Stunde die Zusammenfassung des über 600 Seiten starken Urteils verlas. Opfer und Angehörige wurden dabei von Psychologen betreut.

Die meisten Opfer wirkten niedergeschlagen, als sie den Gerichtssaal verließen. Das Urteil sei zu milde ausgefallen, war die einhellige Meinung. Die Opferverbände wollen prüfen, ob sie in Berufung gehen.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero zeigte sich zufrieden. Das Urteil habe "für Gerechtigkeit gesorgt und die Wahrheit ans Licht gebracht". Dennoch dürfte der politische Streit weitergehen. Der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy kündigte an, er werde neue Nachforschungen über die Verantwortlichen unterstützen.

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