Cohn-Bendit über Frankreichs Grüne: "Bisher nur Dritte Liga"

Die französischen Grünen müssen sich öffnen und eine neue Organisationsform finden, sagt Europaabgeordneter Daniel Cohn-Bendit. Die deutsche Schwester taugt als Vorbild nicht.

Präsidentschaftskandidat?: "Ich muss gestehen, wenn mir im Zug oder auf der Straße die Leute sagen: 'Mach es doch, Dany', fällt es mir nicht so leicht, Nein zu sagen wie bei den Journalisten." Bild: dpa

taz: Herr Cohn-Bendit, die französischen Grünen gehören zu den Wahlsiegern. Hat sich die Partei innerhalb der Linksunion emanzipiert?

Daniel Cohn-Bendit: Wir werden erst emanzipiert sein, wenn wir uns auf dieser Höhe stabilisieren können. Die Geschichte der französischen Grünen ist ein unendliches Auf und Ab. Wir haben jetzt in Frankreich mit Europe Ecologie die Chance, ein hohes Niveau zu erreichen und zu halten, ein höheres sogar als die Grünen in Deutschland.

Was braucht es dazu? Ein neues genossenschaftliches und dezentralisiertes Parteimodell, wie Sie es in der Zeitung Libération beschreiben?

Ja. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Grünen bereit sind, mit denen zusammenzuarbeiten, die neu bei Europe Ecologie dazugekommen sind. Um es salopp zu sagen: Die Grünen, wie sie heute existieren, haben große Verdienste, aber sie haben eine Organisationsform und eine politische Kultur, die ausreicht, um in der Dritten Liga zu spielen. Jetzt wollen sie in der Ersten spielen oder sogar in der Champions League.

Kann die Organisationsform der deutschen Grünen da eine Inspiration sein?

Nee. Es geht darum, eine Organisationsform zu finden, die nicht einer traditionellen Partei entspricht und bei der nicht die Hälfte der Energie durch interne Prozeduren aufgesaugt wird. Es geht darum, Einfluss auf die Gesellschaft zu gewinnen. Das ist gerade in Frankreich unheimlich wichtig, da wir ja von unterschiedlichsten umweltpolitischen Kulturen herkommen, die es zusammenzuführen gilt: Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen, Personen, die von der Linken kommen. Sie alle müssen nun zusammen eine gemeinsame Kultur gestalten. Wir müssen sammeln. Angesichts der sozialen und ökologischen Herausforderung, die vor uns steht, müssen wir in der Lage sein, das zu überwinden, was uns trennt und getrennt hat. Das hat funktioniert bei der Europawahl und - zum Teil auch - bei den Regionalwahlen. Jetzt aber stimmt der Unterbau nicht mehr.

Deswegen die neue notwendige Organisationsform?

Eine, die es uns erlaubt, sich den kommenden Herausforderungen zu stellen: den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen von 2012, den Vorwahlen der Linken. Die Frage ist: Sind wir in der Lage, dabei mit einer eigenen Position aufzutreten, und wie entscheiden wir über diese Position?

Dieser Emanzipationsprozess der Grünen hängt ja wohl auch von der Haltung der sozialistischen Partner ab. Wo müssen da Annäherungen stattfinden? Ist zum Beispiel die Kernenergie ein Streitpunkt?

Ich sehe das anders. Die Sozialisten wissen nach den Europa- und den Regionalwahlen, dass sie ohne uns nicht gewinnen können. Sie wissen auch, dass sie mit uns in eine inhaltliche Diskussion eintreten müssen. Das betrifft auch die Kernenergie, wo sie im Gegensatz zu den deutschen Sozialdemokraten ja viel stärker aufseiten der Atomenergie stehen. Wir werden mit ihnen über die Folgen diskutieren: Wer 2012 die Regierungsverantwortung übernimmt, muss entscheiden, wie in den folgenden acht Jahren die französische Reaktoren erneuert werden. Das kostet 8 Milliarden Euro, multipliziert mit 40, macht das 320 Milliarden. Wo nimmt man dieses Geld her? Wir müssen diese Debatte entideologisieren. Und ganz praktisch fragen: Wie viel kosten stattdessen die erneuerbaren Energien, und wie kann man sie entwickeln?

Werden Sie bei den französischen Präsidentschaftswahlen antreten?

Nein! Das ist das Lieblingsspiel der Journalisten, weil das die Kräfteverhältnisse in der Linken verändern würde. Ich muss gestehen, wenn mir im Zug oder auf der Straße die Leute sagen: "Mach es doch, Dany", fällt es mir nicht so leicht, Nein zu sagen wie bei den Journalisten. Eine solche Kandidatur wird aber nicht stattfinden.

INTERVIEW: RUDOLF BALMER

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