Dänemark lockert Streubomben-Verbot: Blindgänger auf dem Vormarsch

Auch Dänemark schwenkt auf US-Linie ein und lockert die Ächtung von Streubomben. Eine Blindgängerquote von 5 Prozent soll "akzeptabel" sein.

Blindgänger bleiben jahrzehntelang eine Gefahr für die Zivilbevölkerung. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Nur ein verwässertes Verbot droht am Ende der Streubombenkonferenz zu stehen, zu der sich fast 150 Staaten ab 19. Mai in Dublin treffen werden. Der Schar der Länder, die diese Waffe zwar prinzipiell ächten, aber gerade die Streumunition ihres eigenen Militärs erst einmal behalten wollen, wird größer. Bisher gehörten dazu neben Frankreich und Großbritannien auch Deutschland. Nun hat sich nach Schweden und Finnland auch Dänemark angeschlossen. Die Lobbyarbeit der USA in der Nato hat offenbar Erfolg gehabt, vermutet Frank Aaen von der linken "Einheitsliste": "Kopenhagen will sich nicht mit den USA anlegen, die gegen ein Totalverbot sind."

Seine Partei stand in der vergangenen Woche zusammen mit den Linkssozialisten im Parlament allein, als die dänische Verhandlungslinie für die Konferenz festgelegt wurde. Die oppositionellen Sozialdemokraten und Liberalen gaben im letzten Augenblick ihren bisherigen Totalverbotskurs auf: Es soll allenfalls ein Verbot von Streumunition mit "nicht akzeptablem" Schadenspotenzial für zivile Personen geben.

"Akzeptabel" hielt man in Kopenhagen noch vor einem Jahr Streubomben mit einer Blindgängerquote von höchstens einem Prozent. Nun will die Regierung keine Prozentzahl mehr nennen. "Am besten wäre ein Abkommen", so Außenminister Per Stig, "mit einer Verpflichtung, dass die Länder jeweils zu dem Waffentyp wechseln müssen, der den geringsten humanitären Schaden anrichtet."

Dahinter steckt die Erkenntnis, dass für die Artilleriegeschosse mit dem Submunitionstyp DM1383, die das dänische Militär wie auch die Bundeswehr im Arsenal haben, eine Blindgängerrate von unter einem Prozent unrealistisch ist. Nach norwegischen Tests unter Gefechtsbedingungen und Berechnungen von Experten gilt eher eine Quote von bis zu 5 Prozent und bei weichem Boden sogar von 10 Prozent als realistisch.

Als politisch und moralisch verwerflich kritisierten nun neun von zehn dänischen Bischöfen und zahlreiche Hilfsorganisationen ein Aufweichen des angestrebten Totalverbots. Bei ihnen kennt man die Folgen, die zunächst nicht explodierte Submunitionsblindgänger unter Zivilisten und vor allem Kindern noch Jahre später verursachen. Spezielle Modelle von Streumunition weiterhin erlauben zu wollen, sei grundfalsch, sagt Stine Leth-Nissen von der kirchlichen Hilfsorganisation Folkekirkens Nødhjælp: "Wir brauchen einen vollständigen Stopp, der zeigt, dass für uns die humanitären Konsequenzen entscheidend sind."

Die dänische Regierung lockte Sozialdemokraten und Liberale mit einem Parlamentsvorbehalt. Das Folketing soll in Zukunft das letzte Wort über einen Streubombeneinsatz haben. "Fast ein nationales Verbot" sei das, meint der verteidigungspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, John Dyrby Paulsen. "Nichts als Augenwischerei", kontert Frank Aaen: Dänemarks Militär habe noch nie Streubomben eingesetzt. Und wo ein Einsatz unter dänischer Mitwirkung aktuell werden könne, beispielsweise bei gemeinsamen Einsätzen in Afghanistan, gelte der Parlamentsvorbehalt nicht. Kopenhagen - und Berlin - wollen, dass es einem Unterzeichner des Anti-Streubomben-Vertrags erlaubt ist, andere Regierungen beim Einsatz von Streumunition während gemeinsamer Militäreinsätze zu unterstützen.

Anfang 2007 hatten sich 46 Staaten verständigt, einen Vertrag zur Ächtung von Streumunition auszuhandeln. Die USA, Russland, China und Israel boykottieren die Initiative. Ein Vertragsentwurf wurde inzwischen auf internationalen Konferenzen weiterentwickelt. Im Dezember soll ein Abkommen in Oslo unterzeichnet werden.

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