Regierungskrise in Großbritannien: D-Day für Gordon Brown

Es wird eng für den britischen Premierminister Brown: Seine Regierung zerfällt. Nun trat der fünfte Minister innerhalb von vier Tagen zurück.

Die Labour-Partei bevorzugt einen langsamen Tod mit Premier Brown. Bild: dpa

Für den britischen Premierminister Gordon Brown begann der Freitag, wie der Donnerstag geendet hatte: mit dem Rücktritt eines Ministers. Diesmal war es Verteidigungsminister John Hutton. Er gab nicht nur seinen Posten auf, sondern will bei den nächsten Parlamentswahlen aus der Politik aussteigen. Es war der vierte Kabinettsrücktritt innerhalb von vier Tagen. Und es sollte nicht der einzige Rücktritt bleiben: Am Nachmittag warf Verkehrsminister Geoff Hoon das Handtuch.

Im Laufe des Tages versuchte Brown, mit einer Kabinettsumbildung den Hiobsbotschaften etwas entgegenzusetzen. Es war sein letzter Versuch, ein wenig seiner verlorenen Autorität zurückzugewinnen. Doch selbst das ist ihm nicht gelungen, da er seine ursprünglichen Pläne nicht durchsetzen konnte. Finanzminister Alistair Darling, der in den Spesenskandal verwickelt ist und den Brown mit einem seiner Vertrauten ersetzen wollte, erklärte Brown, dass ein anderer Job für ihn nicht in Frage käme, und drohte mit Rücktritt. Brown beließ ihn im Amt.

Außenminister David Miliband, Justizminister Jack Straw und Wirtschaftsminister Peter Mandelson bleiben auch auf ihren Posten. Nur eine Schlüsselposition, das Innenministerium, das durch Smiths Rücktritt frei geworden ist, konnte Brown neu besetzen: Es fällt an den bisherigen Gesundheitsminister Alan Johnson, der als aussichtsreichster Kandidat für die Brown-Nachfolge gehandelt wird.

Am Donnerstagabend hatte Arbeitsminister James Purnell dem Premierminister einen schweren Schlag versetzt. Im Gegensatz zu Hutton, der familiäre Gründe für seine Entscheidung angab, forderte Purnell in seinem überraschenden Rücktrittsbrief Brown auf, sein Amt niederzulegen. Sonst wäre ein Tory-Sieg bei den nächsten Parlamentswahlen viel wahrscheinlicher.

Zuvor hatte Brown bereits die Innenministerin Jacqui Smith und die Regionen-Ministerin Hazel Blears verloren. Beide sind tief in den Spesenskandal verstrickt, bei dem sich Abgeordnete aller Parteien durch abenteuerliche und zum Teil betrügerische Abrechnungen bereichert haben. Scotland Yard gab allerdings bekannt, dass Strafverfolgungen höchst unwahrscheinlich seien.

Blears Rücktritt geriet zur Schlammschlacht. Die ehemalige Ministerin habe nicht nur die Kapitalertragsteuer auf ein Haus hinterzogen, das sie mit Steuergeldern renoviert hatte, sondern auf zwei, berichtete der Daily Telegraph am nächsten Tag. Diese Information könne das Blatt nur von Brown haben, da sie beim Ethikausschuss des Kabinetts unter Verschluss lag, behaupten Blears Vertraute. "Es ist eine Drohung", sagte ein Staatssekretär. "Damit will er die Kabinettsmitglieder warnen, dass sie es sich gut überlegen sollten, bevor sie irgendetwas unternehmen."

Die Luft wird immer dünner für Brown, zumal die Kommunalwahlen in 34 englischen Wahlkreisen, die am Donnerstag stattfanden, zum erwarteten Debakel für die Labour Party wurden. Sie kam nach ersten Prognosen lediglich auf 23 Prozent, das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Tories erhielten 38, die Liberalen Demokraten 28 Prozent. Besonders deprimierend für Labour ist der Verlust der Kontrolle über drei industriell geprägte Gebiete: Lancashire, Derbyshire und Nottinghamshire. Das letzte Mal verlor Labour diese Grafschaften 1977 - und prompt auch die darauf folgenden Parlamentswahlen.

Alle Augen sind nun auf die Labour-Hinterbänkler gerichtet. Sieben von ihnen haben einen Brief in Umlauf gebracht, in dem Brown zum Rücktritt aufgefordert wird. Die Dissidenten sind zuversichtlich, dass sie die 80 Unterschriften, die für eine Neuwahl des Labour-Chefs nötig sind, bis zur nächsten Fraktionssitzung am Montag zusammenbekommen. Es hängt davon ab, wie die Europawahlen ausgingen, die ebenfalls am Donnerstag stattfanden. Das Ergebnis wird am Sonntagabend bekannt gegeben, ein weiteres Debakel für Labour gilt als sicher. Würde Brown aus dem Amt gejagt, geriete sein Nachfolger unter Druck, sofortige Parlamentswahlen auszurufen. Das ist Browns Chance: Möglicherweise wählen die Labour-Abgeordneten lieber den langsamen Tod mit Brown als den sofortigen Tod ohne ihn.

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