Finanzkrise in Italien: Der Staatsschuldenberg

Die öffentlichen Schulden Italiens liegen bei 120 Prozent des BIP. Das Land braucht deshalb dringend eine neue Wirtschaftspolitik, doch die Regierung ist zu schwach.

Ratlos? Wirtschaftswissenschaftler werfen der Regierung Berlusconi vor, mit ihrer Politik Spekulationen anzuheizen. Bild: dpa

ROM taz | "Italien hält den Atem an", "Tag der Angst", "Märkte in Angst" - so lauten die Schlagzeilen der Zeitungen vom Montag. Begonnen hatte es am Freitag, als alle europäischen Börsen ins Minus rutschten, doch Mailand mit einem Verlust von 3,5 Prozent am tiefsten.

Zwei Daten beunruhigen: Zum einen brachen Bankentitel drastisch ein. Allein in der letzten Woche verloren die wichtigsten Institute mehr als 10 Prozent - seit dem Jahresbeginn sogar etwa 30 Prozent. Und zum anderen kamen Staatstitel unter Druck.

Der "Spread" - der Zinsabstand italienischer Staatsschuldverschreibungen mit zehn Jahren Laufzeit zu deutschen Papieren - stieg am Freitag auf 248 Basispunkte. Das heißt, dass auf italienische Papiere inzwischen 2,5 Prozent mehr Zinsen fällig sind als auf die deutschen.

Am Montagmorgen dann stieg der Zinsabstand auf fast 2,7 Prozent. Kein Zweifel, die Spekulanten haben Italien im Visier. Regierung und Medien wiegten die Bevölkerung noch in Sicherheit. Italien, so hieß es, gehöre nicht zu den Pleitekandidaten Portugal, Irland, Griechenland und Spanien.

Fast 80 Prozent der Italiener wohnen in Eigentum

Es gab dafür auch Gründe. Das Land hatte weder mit geplatzten Immobilienblasen noch mit der Verseuchung seiner Banken durch toxische Papiere zu kämpfen. Der Immobilienmarkt gab nur leicht nach. Fast 80 Prozent der Italiener wohnen im meist abbezahlten Eigentum. Auch haben die italienischen Banken viel weniger als die Institute anderer Länder mit "Derivaten" aller Art gehandelt.

Zwar brach die Wirtschaft in den Krisenjahren 2008/2009 ein und die Staatsverschuldung ging nach oben. Doch Italien bewegt sich im europäischen Mittelfeld, häuft mit jährlich etwa 4 Prozent vom BIP weniger Schulden an als Frankreich, ist mit 9 Prozent Arbeitslosigkeit weit entfernt von Spanien. Italien liegt im Mittelfeld, außer bei einer Größe: dem öffentlichen Schuldenberg von 120 Prozent des BIP. Das ist, nach Griechenland, europäische Spitze.

Doch Politiker wie Finanzminister Giulio Tremonti reden das klein. Die Hälfte der Schulden werde von Anlegern des eigenen Landes gehalten, rechnet Tremonti vor. Hinzu komme, dass Italien bei der privaten Verschuldung unten liege in Europa.

Bei diesem Befund bekommt Tremonti von einem regierungskritischen Ökonomen wie Silvano Andriani Schützenhilfe. Die Ursache der globalen Krise seien die privaten Schulden, nicht die öffentlichen, sagt er und behauptet, Italiens Situation sei solide. "Aber niemand, auch unter den Politikern nicht, bemüht sich ernsthaft, die von den Märkten entwickelte Sicht der Krise, die irrig und für Italien nachteilig ist, zu konterkarieren."

Demokrat Tremonti hält das Sparpaket für verfehlt

Der Wirtschaftswissenschaftler Paolo Guerrieri unterstreicht hingegen, dass Italien in den nächsten fünf Jahren 900 Milliarden Euro Staatsschulden refinanzieren muss. "Da muss uns die Entwicklung der Zinsen extrem beunruhigen." Er hält der Regierung vor, mit ihrem Sparprogramm die Situation zu verschlimmern: "Es scheint fast, als täten wir alles, um die Spekulation anzuheizen."

Dabei glaubte Tremonti, mit den Kürzungen die Märkte beruhigen zu können. Stefano Fassina, im Vorstand der oppositionellen Demokratischen Partei für Wirtschaftspolitik zuständig, hält das Sparpaket für verfehlt. "Konfus" sei die Kommunikation der Regierung. "Erst war von Einsparungen von 47 Milliarden Euro die Rede, dann von 68, am Ende von 40 Milliarden. Und, schlimmer noch, da wurden Einspareffekte von 2 Milliarden im Jahr 2011 und 6 Milliarden im Jahr 2012 verkündet, die netto gar nicht gegeben sind."

Erst im Jahr 2014 greife das Paket. Besonders negativ sei aber, und da ist sich Fassina mit Guerrieri einig, das Fehlen von Wachstumsimpulsen. Guerrieri bemerkt, das Land brauche eine Wirtschaftspolitik, die auf Forschung, Infrastruktur und Liberalisierung von Dienstleistungen setze.

Zu dieser Anstrengung aber ist die Regierung Berlusconi nicht in der Lage. Und ausgerechnet Giulio Tremonti, der den Märkten Vertrauen einflößte, ist angeschlagen, seit gegen einen seiner Vertrauten wegen Korruption ermittelt wird. Stefano Fassina meint denn auch, am Ende habe "die Fragilität dieser Regierung die Märkte entfesselt".

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