Korruption bei der EU-Kommission: Die feinen Geschäfte des Herrn Wenig

Ein EU-Kommissionsdirektor fädelt mit verdeckt arbeitenden Reportern einen Deal ein: Geheiminformationen gegen ein paar hunderttausend Euro. Der Mann ist jetzt im Urlaub.

Fast hunderttausend Euro. Bild: dpa

BRÜSSEL taz Menüs in Brüssels teuersten Lokalen soll sich EU-Kommissionsdirektor Fritz-Harald Wenig von Lobbyisten bezahlt haben lassen. Wenn die Journalisten der Sunday Times allerdings die Tonbandaufnahmen tatsächlich besitzen, aus denen sie nun zitieren, wird das Wenigs kleines Problem. Denn dann hat der in der Handelsabteilung für "Marktzugang und Industrie" zuständige Beamte seine Dienstpflichten grob verletzt..

Im März hatte sich Wenig auf eine per E-Mail ausgesprochene Einladung hin im Edellokal "Comme chez soi" zum ersten Mal mit zwei britischen "Lobbyisten" getroffen. Sie gaben vor, für den Hongkonger Unternehmers Zhou Li Ping tätig zu sein, der seine Chancen auf dem europäischen Markt verbessern wolle. Wenig arbeitet in der Abteilung, die darüber entscheidet, welche Anti-Dumping-Zölle die EU gegenüber China verhängt, um europäische Produzenten vor der Billigkonkurrenz zu beschützen. Diese Abteilung kann einen Importeur auch von derartigen Zöllen befreien, wenn sie zu der Überzeugung kommt, seine Preise seien zu fairen Marktbedingungen und nicht durch staatliche Förderung zustande gekommen.

Die britischen "Lobbyisten", die in Wirklichkeit für die Sunday Times arbeiten, erklärten dem EU-Beamten, dass sich ihr Auftraggeber für seine chinesische Schuhfabrik diese steuerliche Sonderbehandlung wünsche. Wenig, so berichten die Reporter, habe auf die indirekte Aufforderung, dem chinesischen Unternehmer einen Handelsvorteil zu verschaffen, gut gelaunt reagiert. Er erklärte sich einverstanden damit, Ping selber zu treffen, und fügte hinzu: "Es muss an Orten wie diesem sein, nicht in Büros, das mache ich nicht." Schon bei dieser Begegnung im März 2008 muss Wenig also bewusst gewesen sein, dass er mit seinen Pflichten als EU-Beamter in Konflikt geriet.

Und das war erst der Anfang. Beim nächsten Treffen, diesmal im Michelin-Stern-gekrönten "Truffe Noire", tauchte "Herr Ping" persönlich auf. Er zeigte Interesse an der Frage, welche Kerzenhersteller wohl demnächst von EU-Steuervorteilen profitieren könnten. Wenn er mit diesen Firmen Verträge abschließen könne, würde das einen satten Gewinn für ihn bedeuten. Davon müsse auch Herr Wenig etwas abbekommen, wie wäre es mit 600.000 Euro im Jahr? Glaubt man den Augenzeugen, sagte Wenig auch diesmal nicht Nein. "Wenn ich das jetzt mache, während meiner derzeitigen Pflichten, verstößt es gegen die Regeln … Das Geld müsste auf ein Sperrkonto, auf das ich erst nach meiner Pensionierung Zugriff hätte." Ohnehin wolle er erst bezahlt werden, wenn er auch mit Ergebnissen aufwarten könne.

Das tat er im August. Telefonisch nannte er den Reportern zwei chinesische Kerzenhersteller, die demnächst reduzierte EU-Einfuhrzölle bekämen. Die Firmen selber wussten zu diesem Zeitpunkt noch nichts von ihrem Glück. Mit den Enthüllungen der Sunday Times konfrontiert, bestreitet Fritz-Harald Wenig nun alle Vorwürfe. Er habe nichts Unrechtes getan, erklärte er - und nahm erst einmal Urlaub. DANIELA WEINGÄRTNER

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