Unabhängigkeit des Kosovo: Die Stunde der Wahrheit

Am Donnerstag legen die Richter ihr Gutachten zu der Frage vor, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von 2008 mit dem Völkerrecht vereinbar ist.

Mister Kosovo: der serbische Außenminister Vuk Jeremic. Bild: ap

Am Donnerstag um 17 Uhr werden die Glocken in allen serbisch-orthodoxen Kirchen in Serbien und dem Kosovo läuten. Und dann werden Bittgottesdienste abgehalten, für "die Gerechtigkeit", für das "serbische Kosovo", wie das Büro des Patriarchen Serbiens Irinej bekannt gab.

Denn für die Serben ist die "Stunde der Wahrheit" gekommen, wie vergangene Woche Außenminister Vuk Jeremic erklärte. Da hatte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag erklärt, am 22. Juli um 15 Uhr ein Gutachten über die Legalität der Unabhängigkeit des Kosovo bekannt geben zu wollen.

Obwohl die Staaten, die das Kosovo anerkannt haben - darunter 22 EU-Länder und die USA -, dagegen waren, stimmte 2008 die Mehrheit in der UN-Generalversammlung für Serbiens Initiative, den IGH mit der Causa Kosovo zu beauftragen.

Belgrads Chefdiplomat Jeremic (35), der alle Kapazitäten seines Ministeriums für die "Verteidigung des Kosovo" einsetzte, feierte damals den größten Sieg seiner Karriere. Serbische Medien tauften ihn "Mister Kosovo".

Serbien betrachtet das Kosovo nach wie vor als Bestandteil seines Territoriums und will dessen Unabhängigkeit unter keinen Umständen anerkennen. Obwohl das Gutachten des IGH nicht bindend ist, sind sich Belgrad wie Prishtina und auch Brüssel und Washington des politischen Gewichts bewusst. Nur 69 von 192 UN-Mitgliedsstaaten haben die im Februar 2008 verkündete Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt.

Für Belgrad war es ein gewagter Schachzug, auf den IGH zu setzen. Sollte das Gutachten positiv für Serbien ausfallen, wäre die Anerkennung durch weitere Staaten unwahrscheinlich, und Belgrad würde seine Blockadepolitik gegenüber dem jüngsten europäischen Staat mit neuem Elan fortsetzen. Jeremic erklärte, dass Belgrad zuversichtlich sei und nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs die Wiederaufnahme der Statusverhandlungen erwarte. Sollte der IGH jedoch die Unabhängigkeit des Kosovo als legal bezeichnen, würden die EU und die USA den Druck auf Serbien erheblich verstärken, sich mit dem Verlust des Kosovo, in dem rund 2 Millionen Albaner über 90 Prozent der Bevölkerung stellen, abzufinden.

Inoffiziell teilten westliche Diplomaten Vertretern der Staatsspitze Serbiens mit, dass sie mit ihrer aggressiven Kosovopolitik selbst die Tür zur EU schließen könnten. Jeremic reagierte darauf mit dem Spruch: "Sollte Serbien vor die Wahl zwischen dem Kosovo und der Europäischen Union gestellt werden, würde sich Serbien für das Kosovo entscheiden."

Der Außenminister des Kosovo, Skender Hyseni, zeigte sich ebenfalls optimistisch. "Ich sehe keine Möglichkeit, dass das Urteil zugunsten Serbiens ausfällt, weil ich keine Möglichkeit sehe, dass der IGH gegen die Freiheit eines Volkes stimmen könnte." Im gleichen Ton äußerte sich der Premier des Kosovo, Hashim Thaci, der sich angesichts des "historischen Moments" in Washington aufhält. Der IGH werde die Tatsachen akzeptieren, sagte Thaci. Manche Rechtsexperten befürchten jedoch, dass das Urteil des IGH nicht eindeutig sein und den Status quo besiegeln wird.

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