Anti-islamische Eiferer in Holland: "Diese Mischung ist gefährlich"

Der Rechtspopulist Geert Wilders sorgt in den Niederlanden für Unruhe, weil er einen Film über den Koran gemacht haben will. Doch ein neuer Karikaturenstreit drohe nicht, meint der Publizist Geert Mak.

Demonstration gegen den Extremisten Geert Wilders. Bild: ap

taz: Herr Mak, mit seiner Ankündigung, einen islamkritischen Films über den Koran zu veröffentlichen, hält der Rechtspopulist Geert Wilders seit Wochen ganz Holland in Atem. Was halten Sie davon?

Geert Mak: Ich glaube, dass dieser Film noch gar nicht existiert. Aber schon die Debatte darüber hat das Klima vergiftet und eine Atmosphäre der Angst geschaffen - das Gefühl, dass von muslimischer Seite eine Gefahr droht. Damit hat Wilders sein Ziel schon erreicht: eine xenophobe Grundstimmung.

Regierungschef Balkenende warnt vor einer Krise wie beim Karikaturenstreit. Hat er recht?

Das war eine ganz schlechte Reaktion. Er müsste zeigen, dass er die Dinge in der Hand hat. Der Erfolg von Geert Wilders korrespondiert mit einem Mangel an Visionen und Führungskraft in der holländischen Politik.

Wer ist Geert Wilders?

Er ist ein schillernder Vogel: kein typischer Rechtspopulist, sondern eher von den US-Neokonservativen inspiriert. Er ist völlig fixiert auf den Islam, wobei sein antireligiöser Eifer selbst schon religiöse Züge trägt. Wenn ich an ihn denke, dann habe ich das Bild vor Augen von einem Mann, der auf einem hohen Gebäude steht, und eine große Menge ruft ihm zu, er solle herunterspringen. Mit seinem angeblichen Koranfilm hat er sich unter Zugzwang gesetzt: Er muss jetzt etwas bringen.

Politiker wie Geert Wilders oder Rita Verdonk, die gegen den Islam zu Felde ziehen, haben in Holland Erfolg. Warum?

Ja, sie können etwa 20 Prozent der Wählerschaft auf sich vereinigen. Wir haben jetzt eben - wie Belgien, Frankreich, Österreich und Deutschland - einen rechten Rand, daran müssen wir uns gewöhnen. In Großstädten wie Amsterdam, Rotterdam und Den Haag gibt es viele Leute, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Wir bezahlen jetzt den Preis dafür, dass wir so lange gedacht haben, es werde schon irgendwie alles gut gehen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.

Und wie sieht das aus?

Da bin ich im Moment wieder pessimistisch. Der Erfolg von Geert Wilders hat viel mit unserer Medienlandschaft zu tun. Alle Zeitungen sind derzeit in einer tiefen Krise, weil es bei uns jetzt vier Umsonstzeitungen gibt, die viel gelesen werden. In dieser Situation stürzt man sich auf alles, was Aufmerksamkeit verspricht. Wilders ist alle zwei Wochen gut für ein provokantes Zitat. Diese Mischung ist sehr gefährlich.

Hat Geert Wilders das Zeug zu einem neuen Pim Fortuyn?

Nein, auch wenn Wilders das gerne wäre. Aber er hat bei Weitem nicht dessen Format. Pim Fortuyn war im Grunde ein frustrierter Sozialdemokrat. Wilders ist bloß ein typischer Händler der Angst - einer, der die Ängste einer Minderheit artikuliert.

Seit einem Jahr wird Holland von einer großen Koalition regiert. Die vorige Rechtskoalition vertrat eine rigide Ausländerpolitik. Was ist jetzt anders?

Unsere Gesetze sind noch immer sehr strikt. Aber die Politik unserer Integrationsministerin Rita Verdonk war einfach unmenschlich: Da wurden Familien getrennt und Menschen in Länder abgeschoben, in denen ihnen Lebensgefahr drohte. In ihrer Amtszeit sind die Niederlande zwei, drei Mal vom Europäischen Gerichsthof für Menschenrechte verurteilt worden - das hat es nie zuvor gegeben!

Über Rita Verdonk ist die letzte Regierung gestürzt; sie hat jetzt eine eigene Rechtspartei gegründet. Wie hat sich das politische Klima seither geändert?

Es herrscht jetzt zumindest nicht mehr diese moralische Panik, die nach den Morden an Pim Fortuyn 2002 und Theo van Gogh 2004 Einzug hielt. Leute wie Leon de Winter verbreiteten damals den Eindruck, die ganze Gesellschaft würde kollabieren und hunderttausende Muslime würden nur darauf lauern, alle unsere Intellektuellen zu ermorden. Er zeichnete die Niederlande als ein zweites Israel, von Feinden umlagert.

Welche Rolle spielte Ayaan Hirsi Ali in dieser Debatte?

Sie hat ihren Teil zu der Hysterie beigetragen, indem sie alles auf den Islam geschoben hat. Natürlich spielt die Religion eine Rolle. Aber Integration ist auch eine Frage der Politik, der ökonomischen Teilhabe, der Bildung. Inzwischen hat sich die Debatte auch wieder mehr auf solche Fragen verlagert. Das Ganze war auch eine theologische Debatte unter Intellektuellen. Die Holländer lieben solche Debatten. Aber am Ende landet man wieder bei praktischen Lösungen.

Ayaan Hirsi Ali lebt jetzt in den USA und arbeitet an einem neokonservativen Thinktank. Kürzlich kam eine Debatte auf, ob die Niederlande weiter für ihren Schutz aufkommen sollen. Was meinen Sie?

Formal hatte die holländische Regierung recht damit, dass sie im Ausland nicht für ihre Sicherheit aufkommen kann. Trotzdem war ihre Haltung sehr dumm. Denn Hirsi Ali ist wirklich bedroht. Ich bin in vielen Punkten anderer Meinung als sie. Aber es ist sehr wichtig, dass sie ihre Meinung frei äußern kann und ihr nichts passiert. Dafür tragen wir eine gewisse Verantwortung. Ich habe mich deshalb einer Schriftstellerinitiative angeschlossen, die Druck auf die holländische Regierung machen will, in dieser Frage bald eine Lösung zu finden. Denn die heutige Situation ist zu riskant.

Französische Intellektuelle wie Levy und Glucksmann haben gefordert, Hirsi Ali zur Ehrenbürgerin ihres Landes zu ernennen. Wäre das gut?

Manche sehen das alles sehr romantisch und heroisch. Praktisch würde das nichts ändern. Sie will ja in den USA bleiben. Und manche haben wohl noch nie eine Zeile von ihr kritisch gelesen. Denn was sie jetzt macht, hat natürlich nichts mit der Emanzipation muslimischer Frauen zu tun.

Sondern?

Mit der Emanzipation von Ayaan Hirsi Ali. Welche Leute erreicht sie denn? Ihr Publikum ist ausschließlich weiß, westlich und nichtmuslimisch. Es gibt mittlerweile eine Menge emanzipierter Frauen mit muslimischem Hintergrund, die sehr inspirierend sind. Ayaan Hirsi Ali inspiriert nur diejenigen, die einen Krieg gegen den Islam führen wollen. Ich habe jedenfalls noch nie eine muslimische Frau getroffen, die gesagt hat, Hirsi Ali habe ihr die Augen geöffnet.

Woran liegt das?

Wenn man für die Emanzipation muslimischer Frauen etwas erreichen will, dann muss man mit türkischen und arabischen Medien sprechen, auf Kongressen auftreten oder Lesungen in Moscheen abhalten. Und nicht nur für die Vogue posieren oder mit George Bush essen gehen. Was sie macht, erinnert mich an das Märchen von Hans Christian Andersen "Des Kaisers neue Kleider". Und das finde ich wirklich schade, denn sie ist eine sehr charismatische und intelligente Person. Würde sie aufhören, die Muslime zu verurteilen, und versuchen, sie zu überzeugen, könnte sie viel erreichen. Ich jedenfalls hoffe das noch immer.

Wie erklären sie sich ihren Erfolg im Westen?

Sie reduziert den Islam auf ein Zerrbild. Mit dem somalischen Islam im Kopf redet sie über den Islam in Pakistan, in Indonesien, in Malaysia, in der Türkei oder in Marokko. Das ist reine Hybris. Und sie sagt Sachen wie, im Islam gebe es keine Kunst, er sei primitiv. Was für ein Unsinn! Hat sie noch nie von der Alhambra, von Cordoba gehört? Das Problem ist, dass es viele Leute gibt, die das hören wollen.

INTERVIEW: DANIEL BAX

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