Rassistische Gewalt in Russland: Drohungen gegen russische Roma

Nach dem Mord an zwei Roma bei Wolgograd ist ein Verdächtiger wieder auf freiem Fuß und bedroht erneut Roma. Behörden diskriminieren die Angehörigen der Minderheit.

Der Bahnhof von Wolgograd, dem einstigen Stalingrad. Bild: ARCHIV

BERLIN taz Die Roma in der Umgebung der südrussischen Stadt Wolgograd sind schockiert. Nachdem am 26. Februar der 26-jährige Roma Ruslan Potapow und seine anderthalbjährige Tochter in dem Dorf Ignatowka, unweit von Wolgograd, brutal ermordet und die mutmaßlichen geständigen Mörder verhaftet worden waren, ist einer der Verhafteten wieder auf freiem Fuß. Sofort nach seiner Haftentlassung habe dieser erneut Roma mit Mord gedroht.

Dies berichtet die Leiterin der Wolgograder Nichtregierungsorganisation Kongress der Roma-Frauen, Elena Konstantinowa, in einem Gespräch mit dem Internetportal Kavkazskij Uzel. Das betreibt die russische Menschenrechtsorganisation Memorial.

Am 25. Februar war Potapow beim Einkaufen von zwei Russen zum gemeinsamen Wodkatrinken aufgefordert worden. Als diese von ihm danach Geld verlangten, weigerte er sich. Am Abend tauchten die beiden in der Wohnung des Roma auf und forderten erneut Geld. Als Potapow wieder nicht zahlte, wurden er und seine Tochter erschossen.

Dieser Mord ist ein neuer Höhepunkt von Gewalt gegen Roma im Raum Wolgograd. Rassistisch motivierte Diskriminierungen der russischen Roma haben sich hier seit Jahresanfang verschärft, so Elena Konstantinowa. Roma würden häufig willkürlich mehrere Stunden auf der Milizstation festgehalten, wo man ihnen Fingerabdrücke abnehme und sie fotografiere.

Der Mord vom 26. Februar 2008 ist nicht der erste derartige Vorfall. Am 12. April 2006 hatten zwanzig Skinheads eine Gruppe Roma in einem Wald in der Nähe der Stadt Wolschsk überfallen. Unter diesen befand sich auch eine obdachlose Russin. Bei dem Überfall waren ein Rom und die Russin ermordet sowie weitere Roma verletzt worden. Derzeit stehen die mutmaßlichen Täter vor Gericht. Sie sind wegen Mordes aus rassistischen Motiven angeklagt. Über den Prozess kann die Roma-Vertreterin nur wenig berichten. "Das Gericht informiert die Opfer dieses Überfalls und deren Anwälte nicht über den Stand des Verfahrens", so Konstantinowa.

Vor dem Hintergrund zunehmender Diskriminierung hatten 2004 rund hundert Roma das Gebiet Wolgograd verlassen und sich im Norden Russlands, in der Nähe von Archangelsk, angesiedelt. Dort erwarben die Roma Land und begannen Häuser zu bauen. Zunächst lief die Zusammenarbeit mit den Behörden weitgehend reibungslos. Doch im März 2005 wurde Alexander Donskoj Bürgermeister von Archangelsk. Er machte sein Wahlkampfversprechen wahr, die Roma aus Archangelsk zu vertreiben. Diese seien eine "verbrecherische Nation", handelten mit Drogen und entführten Kinder. Zunächst konnten Menschenrechtsorganisationen eine Vertreibung der Roma verhindern. Doch im Sommer 2006 mussten die Roma die Stadt verlassen, akzeptierten eine Entschädigung von 300.000 Rubel (knapp 10.000 Euro) und wurden unter Begleitung der Miliz mit einem Zug nach Moskau gebracht.

Offiziellen Angaben zufolge leben in Russland 182.000 Roma. Roma-Expertin Stefania Kulaewa vom St. Petersburger "Antidiskriminierungszentrum Memorial" geht jedoch davon aus, dass es weit über 300.000 sind. Bedingt durch ihren wirtschaftlichen Niedergang und die fehlende Bereitschaft der Behörden, Integration zu fördern, verschlechtere sich ihre Lage zusehends.

Tausende Roma seien noch im Besitz ihrer alten sowjetischen Pässe. Vielerorts weigerten sich die Beamten, ihnen neue russische Pässe auszustellen. Dass Roma gerne in Stadtnähe siedeln, wurde ihnen mancherorts zum Verhängnis, sind doch diese Gebiete als Bauland für Datschas sehr begehrt. In der Folge wurden Roma immer wieder zum Verlassen dieser Gebiete aufgefordert.

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