Hrant-Dink-Woche in Berlin: Erinnerung an einen Aussöhner

Symbol für Toleranz und Frieden: Vor vier Jahren wurde der armenisch-türkische Autor Hrant Dink auf offener Straße ermordet. Eine Berliner Initiative erinnert an ihn.

Gedenken an Hrant Dink: Am 19. Januar ist der vierte Todestag des ermordeten Journalisten. Bild: reuters

BERLIN taz | Vier Jahre nach seiner Ermordung auf offener Straße ist Hrant Dink im öffentlichen Leben der Türkei so präsent, wie er es zu Lebzeiten kaum war. Schon der Trauerzug mit fast 100.000 Menschen kurz nach den tödlichen Schüssen auf den armenisch-türkischen Journalisten und Schriftsteller zeigte, welche Bedeutung Dink für ein toleranteres und liberaleres öffentliches Klima in der Türkei hatte. Über die vielen Drohbriefe, die er erhielt, schrieb er kurz vor seinem Tod in seinem letzten Artikel für Agos, einer armenisch-türkischen Wochenzeitung, die er mitgegründet hatte. Sie wurde ein Flaggschiff der Meinungsfreiheit in der Türkei.

Im Prozess gegen seinen mutmaßlichen Mörder, einen damals 16-jährigen Nationalisten, ist das Urteil auch nach mehr als drei Jahren nicht gefällt. Da er nach Jugendstrafrecht verurteilt werden soll, ist es möglich, dass der Beschuldigte bei Anrechnung seiner bisherigen Haft bald entlassen werden könnte. Im Laufe des Verfahrens kam zudem heraus, dass etwa ein Dutzend Staatsbeamte von der bevorstehenden Bluttat wussten oder den gefährdeten Dink aus zweifelhaften Gründen nicht ausreichend schützten.

Die öffentliche Diskussion über diese Missstände schwelt weiter. Vor allem aber ist Dink ein Symbol geworden. Einerseits dafür, wie schwer sich die Türkei tut, zu mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Pressefreiheit und zu einer Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich zu finden. Andererseits steht Dink mittlerweile für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben aller Ethnien in der Türkei.

Vor diesem Hintergrund hat sich nun auch in der deutschen Hauptstadt eine "Berliner Initiative zur Gründung eines Hrant-Dink-Forums" zusammengefunden. Sie will ab Donnerstag mit einer Hrant-Dink-Woche an den ermordeten Journalisten erinnern. Auf sieben Veranstaltungen soll es sowohl um Dink selbst als auch um seine Ziele gehen.

Die Veranstaltungsreihe beginnt mit einer Lesung der Autorin Tuba Candar aus ihrer Biografie über Dink. Es geht weiter unter anderem mit einer öffentlichen Diskussion im Abgeordnetenhaus mit Vertretern der armenischen, der aramäischen und pontosgriechischen Gemeinschaften Berlins über die türkische Vergangenheitspolitik.

In Kooperation mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste wird zudem der erst kürzlich aus der Haft entlassene Schriftsteller Dogan Akhanli einen Stadtrundgang durch die Hauptstadt mit dem Titel "Kreuzungen deutsch-jüdisch-türkisch-armenischer Geschichte" leiten. Die Reihe endet schließlich mit einer Gedenk- und Protestveranstaltung am Mittwochabend, dem 19. Januar, dem vierten Jahrestag von Dinks Ermordung, in Kreuzberg.

Wie der Sprecher der Berliner Initiative, der Journalist Cem Sey, erläuterte, sind das Gespräch über das in der Türkei nach wie vor weitgehend unterdrückte Thema des Völkermords an den Armeniern und der türkisch-armenische Dialog in Deutschland einfacher zu gestalten. Außerdem sähen die Organisatoren als ein Hauptproblem der Integration der türkischen Minderheit in Deutschland weniger den Islam als den weit verbreiteten Nationalismus in dieser Bevölkerungsgruppe - ein türkischer Nationalismus, der sich vor allem in der Abneigung gegenüber Armeniern äußere.

Insofern könne ein Abbau dieser Vorurteile ein Baustein für eine bessere Integration in die deutsche Gesellschaft sein. Schließlich sei die Erinnerung an Dink angesichts der deutschen Erfahrung im Umgang mit einem Völkermord in der eigenen Geschichte in der türkisch-armenischen Debatte von Interesse. "Dink war ein visionärer Verfechter der Idee, dass sich Türken und Armenier aussöhnen müssen", betont Sey. "In Berlin wollen Türken und Armenier nun erstmals aufeinander zugehen."

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