Sozialdemokraten in Österreich: Im freien Fall

Die SPÖ stürzt bei der Kommunalwahl in der Steiermark ab. Das ist schon die 14. Schlappe in Folge. Ein Grund ist, dass der Partei ihre Stammklientel wegläuft.

In Erklärungsnot und ohne erkennbare Strategie: SPÖ-Chef Werner Faymann. Bild: reuters

WIEN taz | Die Kommunalwahl in der Steiermark liefert nur bedingt Hinweise auf die Beliebtheitswerte der Bundesregierung. Der Wahlgang vom Sonntag muss aber in der SPÖ-Zentrale in Wien Alarm ausgelöst haben. Verluste von 5,6 Prozentpunkten und ein Absturz auf unter 38 Prozent bei gleichzeitigen Zugewinnen der ÖVP um 3,4 Punkte auf fast 47 Prozent bedeuten den größten Unterschied der Nachkriegsgeschichte, wie ÖVP-Landesparteichef Hermann Schützenhöfer genüsslich kommentierte. Vor fünf Jahren hatten die beiden Großparteien Kopf an Kopf gelegen.

Auch das wäre für Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann noch zu verkraften, wäre es nicht die jüngste einer ganzen Serie von Wahlschlappen. Seit Faymann im Herbst 2008 eine Koalitionsregierung mit der konservativen ÖVP anführt, hat seine Partei 14 Wahlen verloren.

Das Wahlverhalten als regionales Phänomen herunterzuspielen, wie es bei Niederlagen in der Provinz gerne getan wird, reicht wohl nicht. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves, SPÖ, der um seine Wiederwahl im Herbst zittern muss, richtete eine Drohgebärde nach Wien. Er erwarte sich vom Parteitag im Juni "interessante Diskussionen". Seine Partei müsse wieder "deutlichere Signale für Verteilungsgerechtigkeit setzen".

Tatsächlich läuft der SPÖ die Stammklientel davon. In Industriestädten wie Kapfenberg oder Fohnsdorf mussten die Sozialdemokraten zweistellige Verluste einstecken. Meinungsforscher Thomas Hofer sieht "massive Mobilisierungsprobleme" bei der SPÖ. Das Problem der Genossen auf den Punkt brachte Landesrätin Elisabeth Grossmann (SPÖ). "Es liegt daran, dass sich die Sozialdemokratie im Schließen von Kompromissen verliert. Das Profil geht verloren."

So mancher Bürgermeister, der seine Mehrheit gerade noch retten konnte, machte den "Kuschelkurs" des Kanzlers verantwortlich. Werner Faymann hat sich den Ruf eingehandelt, an der kurzen Leine der ÖVP zu laufen. Schon in den Regierungsverhandlungen gab er fast in allen Bereichen nach.

Seither opfert er Prinzipien und Projekte seiner Partei fast immer dem Koalitionsfrieden. Sei es in der Wirtschaftspolitik mit der Forderung nach der Besteuerung von Konzerngewinnen oder in der Bildungspolitik, wo die Reforminitiative von Ministerin Claudia Schmied auf eine Betonwand der ÖVP-dominierten Lehrergewerkschaft prallte. Im Fremden- und Asylrecht tragen die Roten jede Verschärfung der schwarzen Innenministerin Maria Fekter bereitwillig mit.

Die Gegenstrategien wirken hilflos. Landeshauptmann Voves schlug letzte Woche vor, aus Ersparnisgründen den Landtag von 56 auf 36 Sitze zu verkleinern. Sein burgenländischer Amtskollege Hans Niessl, der im Mai wiedergewählt werden will, profilierte sich durch seinen Widerstand gegen die Errichtung eines Erstaufnahmezentrums für Asylwerber. Eine von der parteiinternen Linken angemahnte Grundsatzdebatte, wofür die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert steht, ist nicht in Sicht.

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