Mrs. Robinson gefährdet Regierung: Irlands Reifeprüfung

Sie hatte eine Affäre mit einem 19-Jährigen, na und? Doch die Frau des nordirischen Ministerpräsidenten Robinson gab ihm illegal einen Kredit. Das könnte die Regierung zu Fall bringen.

Und ganz Irland singt: "Mrs. Robinson": Iris Robinson mit Mann Peter. Bild: ap

DUBLIN taz | Ob die nordirische Regierung diese Woche überleben wird, steht noch nicht fest. Die Chefs der beiden ehemals verfeindeten Regierungsparteien, der katholischen Sinn Féin und der radikal-protestantischen Democratic Unionist Party (DUP), sind in Skandale verwickelt, bei denen es vordergründig um die Verfehlungen enger Familienangehöriger geht. Doch sowohl Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, als auch der DUP-Vorsitzende Peter Robinson, Nordirlands Premierminister, sind durch ihr eigenes Verhalten in die Sache hineingezogen worden.

Robinsons Frau Iris muss ihre Sitze im Belfaster Regionalparlament, im Bezirksrat und im Londoner Unterhaus räumen. Darüber hinaus wurde sie am Samstag aus der Partei ausgeschlossen, nachdem bekannt geworden war, dass die 60-Jährige vor zwei Jahren eine Affäre mit dem damals 19-jährigen Kirk McCambley hatte. Als ihr Mann die Sache im vergangenen März herausbekam, versuchte sie, sich mit Tabletten zu vergiften. Vorige Woche beteuerte sie in einer Presseerklärung, wie leid ihr dieser Ausrutscher täte und wie glücklich sie sei, dass ihr Mann ihr eine zweite Chance gebe. Am Sonntag enthüllte die irische Sonntagszeitung Sunday Tribune, dass Robinson nicht nur mit dem Teenager im Bett war, sondern auch mit dessen Vater sowie, in den achtziger Jahren, mit einem DUP-Parteikollegen.

Das alles wäre ihre Privatsache, auch wenn es von extremer Verlogenheit zeugt. Iris Robinson, deren Lieblingsbuch nach eigenen Angaben die Bibel ist, hat stets ihre Musterehe und ihren tiefen Glauben herausgestellt sowie weniger glaubensfeste Menschen geschulmeistert. Im vorvergangenen Sommer hatte sie eine Hasstirade gegen Homosexuelle losgelassen, deren Verhalten sie als „widerliche Abscheulichkeit“ bezeichnete, die psychiatrischer Behandlung bedürfe. „Wie ein Mörder, so kann auch ein Homosexueller durch das Blut Christi erlöst werden“, sagte sie damals und fügte hinzu, dass Schwule schlimmer seien als Kinderschänder. Das größte britische Schwulenmagazin Attitude hat am Wochenende bei McCambley angefragt, ob er sich für das Cover der nächsten Ausgabe ablichten lasse.

Aber es gibt auch einen finanziellen Aspekt der Affäre, und der könnte die Regierung zu Fall bringen. Iris Robinson hatte ihrem jungen Liebhaber in ihrer Eigenschaft als Bezirksverordnete ein ausgemustertes staatliches Fremdenverkehrsbüro zugeschanzt, in dem er einen Schnellimbiss eröffnen wollte. Den Kredit in Höhe von 50.000 Pfund für den Umbau beschaffte sie ihm durch zwei Bauunternehmern, für die sie Lobby-Arbeit betrieb. 5.000 Pfund davon zweigte sie für sich selbst ab, obwohl sie und ihr Mann über ein Jahreseinkommen von mehr als 600.000 Pfund verfügen. Nachdem der Teenager die Beziehung beendete, forderte sie von ihm die restlichen 45.000 Pfund zurück und setzte ihm eine Frist bis Weihnachten. McCambley musste die Hälfte seiner Anteile an dem Geschäft verkaufen.

Robinson hätte ihre Rolle bei der Kreditvergabe vor dem Parlament deklarieren müssen, so bestimmt es das Parteiengesetz. Das hat sie nicht getan, und auch ihr Mann Peter tat es nicht. Am Mittwoch wies der 61-Jährige bei einem tränenreichen Auftritt vor ausgewählten Journalisten in seinem Haus im Ostteil Belfasts alle Anschuldigungen von sich. „Ich wusste nichts davon“, verteidigt er sich, „was nicht überraschend ist, wenn jemand eine Affäre vor dir geheim hält.“

Es war ein Oscar-reife Vorstellung, als Robinson stockend vom Selbstmordversuch seiner Frau sprach. In Wirklichkeit war er damals ins Regierungsgebäude gefahren und hatte es Iris Robinsons Mitarbeiter Selwyn Black überlassen, sich um den Rettungsdienst zu kümmern. Black brachte die Affäre nun auch ans Licht. Der ehemalige Methodistenpfarrer und Militärkaplan hatte die Nase voll davon, dass er die Angelegenheit mit McCambley bereinigen sollte. Iris Robinson hatte ihm mehr als 150 Kurzmitteilungen auf sein Handy geschickt. Eine davon könnte unangenehm für Peter Robinson werden. „Er weiß von dem Geld, und er versucht, sich die Hände nicht schmutzig zu machen“, schrieb Iris Robinson im Januar 2009 an Black. „Er sagt, das Geld müsse über Anwälte zurückgezahlt werden.“

Peter Robinson hat nun beim Rechtsberater der Regierung ein Gutachten bestellt, das klären soll, ob er sich falsch verhalten habe. Die graue Eminenz der DUP, der 83-jährige presbyterianische Pfarrer Ian Paisley, der die Partei 1971 gründete und bis vor zwei Jahren führte, hat seine Unterschrift unter die Solidaritätserklärung für Peter Robinson bisher verweigert. Galt Paisley als Hardliner, so steht Robinson ihm in nichts nach, auch wenn er in seinen Reden weniger poltert.

Im August 1986 marschierte er mit 500 Anhängern in eine Kleinstadt in der Republik Irland ein, um gegen das anglo-irische Abkommen zu protestieren, das Katholiken ein Mitspracherecht in Nordirland garantieren sollte. Die Demonstranten überfielen ein Polizeirevier und verprügelten zwei Beamte. Robinson wurde später zu einer Geldstrafe von 17.500 Pfund verurteilt. Der Richter beschrieb ihn als „hochrangigen extremistischen Politiker“. Als er im Juni 2008 das Amt des nordirischen Premierministers von Paisley übernahm, lockerte er auf Anraten seiner Frau sein strenges äußeres Erscheinungsbild: Er schmierte sich Gel in die Haare und ersetzte seine altmodische Brille durch Kontaktlinsen.

Eine Reihe von DUP-Parteifunktionären forderten am Wochenende Robinsons Rücktritt. Sie befürchten, dass die Angelegenheit der DUP bei den britischen Parlamentswahlen im Frühjahr schaden könnte. Die Robinsons haben sich zum Gespött des Landes gemacht. Der Song „Mrs. Robinson“ aus dem Film „Reifeprüfung“ über die Affäre einer Frau Robinson mit einem 20-Jährigen, im Film von Dustin Hoffman gespielt, hat zur Zeit Hochkonjunktur in Nordirland.

Bei einem Rücktritt müssten wohl Neuwahlen in Nordirland ausgeschrieben werden. Daran ist weder der DUP, noch Sinn Féin gelegen, denn auch der Juniorpartner in der Koalition hat interne Probleme. Vor kurzem ist der Kindesmissbrauch in der Familie des Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams bekannt geworden. Die Tochter seines Bruders, Áine Tyrrell, erklärte, dass sie von ihrem Vater vergewaltigt worden ist, als sie vier Jahre alt war. Der Missbrauch ging über einen Zeitraum von acht Jahren. Gerry Adams erfuhr davon 1987, und er glaubte seiner Nichte, wie er sagt. Unternommen hat er nichts.

Erst jetzt, als die heute 35-Jährige den Fall öffentlich machte, äußerte er sich öffentlich. In einer ähnlich choreographierten Pressekonferenz wie bei Robinson erzählte er, dass sein Vater, ein angesehener Republikaner, der vor sechs Jahren mit allen militärischen Ehren der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) begraben worden ist, ebenfalls einige seiner Kinder vergewaltigt hat. Ein solches Eingeständnis war nicht leicht, aber wie bei Robinson halten viele das für ein Ablenkungsmanöver.

Adams hat gelogen, als er in derselben Pressekonferenz behauptete, er habe danach keinen Kontakt mehr zu seinem Bruder gehabt und dafür gesorgt, dass er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Liam Adams arbeitete nicht nur mit Kindern in unmittelbarer Nachbarschaft des Sinn-Féin-Präsidenten in Parteiprojekten in Belfast, er stieg später auch zum führenden Sinn-Féin-Politiker in der irischen Grenzstadt Dundalk auf. Er war Vorsitzender des dortigen Parteiverbands und verantwortlich für den direkten Kontakt zur Sinn-Féin-Führung – also zu seinem Bruder. Der ließ sich beim gemeinsamen Wahlkampf, bei Liams Eheschließung mit seiner zweiten Frau sowie bei der Taufe ihres Kindes einträchtig mit Liam fotografieren, obwohl er angeblich zu der Zeit nichts mehr mit ihm zu tun hatte.

Adams ist gläubiger Katholik und regelmäßiger Kirchgänger. Vier Bischöfe seiner Kirche in der Republik Irland mussten um Weihnachten ihre Mitra nehmen, weil sie bei den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche untätig geblieben waren, um ihre Institution zu schützen. Sie versetzten die pädophilen Pfarrer und Mönche höchstens in andere Gemeinden, wo sie neue Opfer fanden. Nichts anderes habe Adams getan, meinen seine Kritiker, als er seinen Bruder in den Jugendprojekten in Belfast und Dundalk gewähren ließ. Die Polizei, der die Vorwürfe bekannt waren, behelligte Liam Adams ebenfalls nicht, was den Verdacht nahe legt, dass sie ihn als Spitzel benutzt hat.

Die Skandale kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt für Nordirlands Regierung, steht sie doch ohnehin auf wackligen Füßen. Es ist eine Zwangskoalition, die sich aus dem Friedensprozess nach 30 Jahren Konflikt mit 3.500 Toten entwickelt hat. Eine Rückkehr zu diesen Zeiten ist zwar undenkbar, aber am Freitag ist bei einem Anschlag von IRA-Dissidenten ein Polizist schwer verletzt worden. Die Instabilität der Regierung spielt den Dissidenten in die Hände. Seit Monaten streiten die Koalitionspartner um die Übertragung der Justiz- und Polizeigewalt von London nach Belfast. Sinn Féin wollte das bis Weihnachten unter Dach und Fach haben. Robinson argumentierte, dass Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der IRA, noch nicht reif für diesen Schritt sei.

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