Tod von Al-Qaida-Geisel: Kaltblütige Rache?

Frankreich hat den Tod des von al-Qaida entführten Michel Germaneau bestätigt. Dennoch bestehen Zweifel an der Darstellung von Präsident Sarkozy.

Er half beim Bau einer Schule in Niger: der Weltenbummler Michel Germaneau. Bild: rts

PARIS taz | Für Frankreich ist die Al-Qaida-Geisel Michel Germaneau offiziell tot. Nach einer kurzen Krisensitzung mit wenigen Ministern trat Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Montag ans Rednerpult, um die Nation vom Tod des im April entführten Mitbürgers in Kenntnis zu setzen.

Er macht den in mehreren Staaten der Sahara operierenden Ableger von al-Qaida verantwortlich für "die niederträchtige und barbarische Ermordung eines Unschuldigen, der seine Zeit für die Unterstützung der lokalen Bevölkerung eingesetzt hat". Der Tod des 78-Jährigen verdeutliche, dass man es mit Leuten zu tun habe, die keinerlei Respekt für das Leben hätten. Die Terroristen hätten kaltblütig einen herzkranken Gefangenen getötet, nachdem sie ihm zuvor jede medizinische Hilfe verweigert hatten.

Der aus Bordeaux stammende ehemalige Ingenieur und Weltenbummler war für die französische Hilfsorganisation Enmilal im Norden von Niger im Einsatz. Nach dem Bau einer Schule für Tuareg-Kinder war er dort mit der Erstellung eines Gesundheitszentrums beschäftigt, als er am 19. April von Mitgliedern der Al-Qaida au Maghreb islamique (AQMI) verschleppt wurde. In einer einzigen von dieser Organisation im Mai veröffentlichten Videobotschaft sagte der Entführte, er sei sehr geschwächt und brauche Medikamente. Dieselben Extremisten werden auch beschuldigt, die britische Geisel Edwin Dyer im Juni 2009 ermordet zu haben.

Noch vor dem Ablauf des eigenen Ultimatums hatte am Sonntag ein AQMI-Sprecher über den Fernsehsender al-Dschasira mitgeteilt, seine Gruppe habe den entführten Franzosen Michel Germaneau als Rache für den Tod von sechs ihrer Mitglieder "hingerichtet". Die Schuld an dieser angeblichen Vergeltungsaktion liege ganz bei Präsident Sarkozy, der "nicht imstande gewesen" sei, seinen Landsmann Germaneau zu retten. Französische Militärberater und Elitesoldaten hatten am Donnerstag an einer Kommandoaktion der mauretanischen Streitkräfte gegen ein AQMI-Nachschublager im Norden von Mali teilgenommen.

Dabei wurden sechs mutmaßliche Mitglieder der islamistischen Terrorgruppe getötet, von Germaneau fand man aber keine Spur. Sarkozy rechtfertigte gestern den Misserfolg dieses militärischen Befreiungsversuchs damit, dass Germaneau in größter Todesgefahr schwebte und dass daher eine "Pflicht" bestand, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu seiner Rettung einzusetzen. "Das Ultimatum (der AQMI) war nichts anderes als die Ankündigung einer geplanten Ermordung", sagte der Präsident und versprach, das Verbrechen werde nicht ungestraft bleiben.

Der Sinn und Zweck der militärischen Intervention ist auch in Frankreich nicht unumstritten. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ein französischer Staatschef versuchte hätte, mit einer Geiselbefreiung sein Image aufzubessern. Der französische Staatschef hatte sich aber bereits vor einer Woche so pessimistisch über Germaneaus Schicksal geäußert, dass eher die Vermutung aufkommen musste, dass er die Geisel, von der es seit zwei Monaten keinerlei Lebenszeichen mehr gab, schon tot glaubte.

Das ist auch die Ansicht des Rentners Pierre Duprat in Libourne, der sich als Germaneaus bester Freund bezeichnet. Er ist überzeugt, dass dieser kurz nach seiner Entführung gestorben sei und dass AQMI ihr Ultimatum und die gescheiterte Kommandoaktion benutzen wollten, um ihr Gesicht zu wahren.

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