Rechtsradikale attackieren Roma in Ungarn: "Kein Roma-, ein Nazi-Problem"
Dutzende Rechtsradikale sollen in dem Dorf Gyöngyöspata aufmarschiert sein. Bei einer Schlägerei sind vier Menschen verletzt worden, die Polizei ist mit großem Aufgebot präsent.
BUDAPEST dpa | Erneut sind Spannungen zwischen Roma und Rechtsradikalen in Ungarn eskaliert. Im mittelungarischen Gyöngyöspata wurden am Dienstagabend vier Menschen bei einer Schlägerei verletzt. Das berichtete die Nachrichtenagentur MTI.
Am Mittwoch drohte sich die Lage weiter zuzuspitzen: Dutzende Mitglieder einer rechtsradikalen Gruppe seien am Morgen im Ort angekommen, teilte eine Roma-Sympathisantengruppe auf der Internet-Plattform Facebook mit. Zugleich sei die Polizei mit großem Aufgebot präsent.
Gyöngyöspata im Nordosten von Budapest ist bereits seit Wochen ein Brennpunkt der Konflikte zwischen der ethnischen Minderheit und gewaltbereiten Rechten. Der Anlass der Schlägerei ist nach Angaben der Polizei unklar. Roma-Vertreter erklärten, dass Provokationen seitens der Rechtsradikalen vorausgegangen seien. Unter anderem hätten Extremisten ein Roma-Haus mit Steinen beworfen.
Unter den Schlägern vom Dienstagabend waren Mitglieder der rechtsradikalen Gruppe Vederö, aber auch Mitglieder der rechtsgerichteten Gruppe Betyarsereg ("Betyaren-Armee"). Der Name geht auf die im 19. Jahrhundert als antihabsburgische Freiheitskämpfer aktiven Betyaren zurück. Die Betyarsereg soll nun "Verstärkung" nach Gyöngyöspata geschickt haben.
Bereits an den Osterfeiertagen waren fast 300 Roma aus dem Ort geflohen, weil Vederö dort ein paramilitärisches Training veranstalten wollte. Die Polizei hatte dies verhindert und die geflohenen Roma kehrten wieder zurück. Im März war die rechtsradikale, uniformierte Gruppe Szebb Jövöert wochenlang durch das Dorf marschiert und hatte damit unter den Roma Angst und Schrecken verbreitet. Szebb Jövöert wird offen von der rechtsradikalen Parlamentspartei Jobbik unterstützt.
In Budapest wollten am Mittwochabend Menschenrechtorganisationen bei einer Demonstration ihre Solidarität mit den Roma bekunden. Ungarns sozialistischer Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany (2004-2009) erklärte, in Ungarn gebe es "kein Roma-Problem, sondern ein Nazi-Problem".
Leser*innenkommentare
B.Sendel
Gast
Der Sender N1Hirado hat seinen Beitrag zu Führersgeburtstag vom 20.04. jetzt vom Netz genommen.
B. Sendel
Gast
Das mit dem Nazi-Problem ist letzte Woche ziemlich offensichtlich geworden durch die Ausstrahlung einer -täglichen- Nachrichtensendung des Fernsehsenders "N1Hirádo" vom 20. April 2011.
Als letzter Beitrag wurde dort dem 120. Geburtstag Adolf Hitlers gedacht, wobei über coloriertem NS-Propagandamaterial, - in dem Hitler kleine Kinder herzt, blonde Frauen begeistert winken und Hakenkreuzfahnen wehen - in ungarischer Sprache folgender Text verlesen wurde:
Heute vor 120 Jahren wurde der deutsche Politiker Adolf Hitler geboren. 1933 hat seine Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei in demokratischen Wahlen einen überwältigenden Sieg errungen. Er hatte in kurzer Zeit das abgewirtschaftete Land wieder auf die Beine gestellt, in dem nun ein beispielloser gesellschaftlicher, moralischer, wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung begann. In Folge des 2. Weltkrieges verursachte der Sieg des angelsächsischen und bolschewistischen Bündnisses den Sturz des deutschen Volkes und seines Führers. Das Andenken an den vielleicht bekanntesten Politiker der Geschichte ist seither das vorrangige Ziel der politischen Hexenjagd der siegreichen Großmächte.
Die Sendung ist derzeit wohl noch unter http://nemzeti1.hu/index.php?p=watch&id=314 im Internet abrufbar.
Die der rechtsextremen JOBBIK-Partei nahestehende Nachrichtensendung ist seit Januar online zu genießen, kann aber auch kostenlos in Kabelnetze eingespeist werden.
Alberto
Gast
ich würd sogar noch weiter gehen: in Europa gibt es ein Ungarn-Problem!
Sarrazynismus
Gast
Die Europäische Union stellt sich gerne als Hüterin und Kämpferin für Menschenrechte und Humanismus dar - solange es nicht die Geschäftspartner Volksrepublik China, Russland oder die USA betrifft. Sie kommt einem seltsam stumm vor, jetzt, da eines ihrer eigenen Mitglieder sich offenbar verhält wie die Reichspolizei gegen die SA-Schläger: einfach mal wegsehen ...
JohannB
Gast
Die Polizei hätte dem braunen Spuk in Gyöngyöspata längst ein Ende bereiten können, wenn sie nur gewollt hätte. Das Viktor Orbán sie nicht angewiesen hat, das zu tun, muss einen Grund haben. Orbán mag machtgeil und prinzipienlos sein, dumm ist er sicherlich nicht.
In meinen Augen macht nur eines Sinn: Er versucht Brüssel mit der unterschwelligen Drohung vor sich her zu treiben, dass die ungarischen Roma sich in Richtung Westen in Bewegung setzen könnten, weil sie sich ihres Lebens nicht mehr sicher fühlen, um damit zusätzliches Geld aus Brüssel für die "gemeinschaftliche Romapolitik" abzuzocken.