Bosnien in der Krise: Laják geht, Land zerfällt

Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien geht. In seiner Amtszeit hat sich die politische Lage verschlechtert - wegen mangelnder Unterstützung der EU.

Hauptstadt Sarajewo: Zwar herrscht kein Krieg, aber von einer Einheit ist Bosnien weit entfernt. Bild: dpa

Die schon seit Tagen umgehenden Gerüchte haben sich als wahr erwiesen. Miroslav Lajcák, der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, hat das Handtuch geworfen. Er wird Außenminister seines Landes, der Slowakei, werden. "Ich muss den Bitten meiner Regierung nachgeben," erklärte er am späten Freitagnachmittag in Sarajevo.

Es ist müßig zu fragen, ob der glücklose Slowake amtsmüde ist oder eine neue Karriere lockt. Das Entscheidende ist, wie es nun in Bosnien weitergeht. Die politische Lage hat sich in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verschlechtert. Dem Führer der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, ist es gelungen, viele der von den Vorgängern Laj-cáks durchgesetzten Reformen für eine Stärkung des Gesamtstaats zurückzunehmen. Die Desintegration des Landes ist fortgeschritten, und die nationalistisch-religiösen Kräfte in allen drei wichtigen Volksgruppen, den muslimischen Bosniaken, den katholischen Kroaten und den orthodoxen Serben können sich als gestärkt betrachten. Ihnen ist es gelungen, die jeweiligen Oppositionellen unter Kontrolle zu halten. Dodik führt die serbische Teilrepublik wie einen Einparteienstaat und will die sogenannte Republika Srpska administrativ und politisch vom anderen Landesteil abtrennen.

Auch bei den Bosniaken ist die Tendenz zur Abgrenzung von den anderen Volksgruppen stärker geworden. Die islamische Gemeinschaft drängt nach stärkeren politischen Einfluss und will die laizistischen, nicht nationalistischen, zivilgesellschaftlichen Kräfte in Sarajevo in ein Getto verweisen. So setzte sie gegen erhebliche Widerstände Religionsunterricht in den Kindergärten durch. Der Reis-ul-Ulema, die höchste religiöse Autorität, Mustafa Ceric, mischt sich immer mehr in die Politik mit dem Ziel einer weiteren Islamisierung des öffentlichen Lebens ein.

Angesichts dieser Entwicklung haben selbst die Europäer ihre Drohung fallen gelassen, die internationale Präsenz im Lande zu beenden. Sollte das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) aufgelöst und die Eufor-Truppen zurückgezogen werden, wie von Brüssel schon 2006 gefordert, drohte Bosnien und Herzegowina die Destabilisierung. Das ist inzwischen allen Beteiligten in Brüssel und den europäischen Hauptstädten klargeworden.

Aber Miroslav Lajcák wurde in den vergangenen Monaten kaum unterstützt. Er hatte keine Rückendeckung dafür, Dodik und Ceric in ihre Schranken zu weisen. Hätte er die Bonn-Powers angewandt, hätte er also Dodik und andere Politiker entlassen, hätte er den Konflikt allein durchstehen müssen. Und dazu hatte er nicht die Machtmittel. So ist nicht er als Person gescheitert, sondern die gesamte EU-Politik gegenüber Bosnien und Herzegowina.

Deshalb muss der Nachfolger von vornherein sein Mandat kritisch überprüfen. Wie aus Washington zu hören ist, wollen die USA wieder mehr Verantwortung auf dem gesamten Balkan übernehmen und durch Bush verlorenes Terrain wieder besetzen. So wurde die Sitzung des Friedensimplementierungsrats (PIC), in dem über 50 Länder und supranationale Organisationen wie die EU und die UNO vertreten sind und der den Hohen Repräsentanten auswählt, auf Ende März verschoben, um der neuen US-Regierung Gelegenheit zu geben, sich eine Meinung zu bilden.

Über die jetzt gehandelten Nachfolger Lajcáks - der österreichische Europaabgeordnete Hannes Swoboda, der frühere irische Ministerpräsident Bertie Ahern oder der ehemalige EU-Außenkommissar Chris Patten - wird auch in Washington und nicht nur in Brüssel entschieden.

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