Regierungspartei nur viertstärkste Kraft: Litauen tauscht wieder mal die Führung

Bei den Wahlen in Litauen rutschen die regierenden Sozialdemokraten auf den vierten Platz ab. Gewinner sind drei populistische Parteien.

Die Wähler Litauens schüttelten die bestehenden Machtverhältnise mal wieder ordentlich durch. Bild: dpa

Ein buntes Völkchen, verteilt auf drei populistische Parteien, hat am Sonntag bei den Parlamentswahlen in Litauen 37 Prozent der WählerInnen von sich überzeugen können. Da ist der Gurken-Millionär Viktor Uspaskich, der auf der Flucht vor Betrugsvorwürfen vor zwei Jahren in Russland Asyl gesucht hatte. Dann der ehemalige Staatspräsident Rolandas Paksas, dem Kontakte zur russischen Mafia nachgesagt werden und der wegen Korruptionsverdacht in einem Amtsenthebungsverfahren aus dem höchsten Staatsamt gekippt werden musste. Und schließlich Arunas Valinskas, Moderator von "Litauen sucht den Superstar", der die Zahl der Parlamentsabgeordneten halbieren und die Diäten auf Staatsrentnerniveau senken will. Sie alle haben zugelegt.

Valinskas "Nationale Wiedergeburt" und Paksas "Ordnung und Gerechtigkeit" landeten mit 15,1 und 12,7 Prozent auf dem zweiten und dritten Platz und überholten damit die bisherige sozialdemokratische Regierungspartei. Die kam auf knapp 12 Prozent, ihre bisherigen beiden Koalitionspartner scheiterten an der 5-Prozent-Klausel.

Stärkste Partei wurde mit 19,5 Prozent die konservative "Vaterlands-Union", in der sich die bisherigen Konservativen und Christdemokraten vereint hatten. Sie profitierte damit von einem Wahlkampf, der auf die Urangst vieler LitauerInnen setzte und aufgrund der Vorgänge in Georgien das russische Gespenst als akute Gefahr für das selbständige Litauen aufzubauen versuchte.

Das litauische Parteiensystem erwies sich damit auch 17 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit von der Sowjetunion als äußert instabil, und die LitauerInnen blieben ihrer Wahltradition treu, die jeweiligen Regierungsmehrheiten alle vier Jahre auszutauschen. Allerdings muss die Wahl vor allem als Protest gegen alle etablierten Parteien gelten. Ein Protest, der sich dagegen richtet, dass aus den versprochenen sozialen Reformen auch in der vergangenen Legislaturperiode einmal wieder nichts wurde, und der von vielen mit großen Vorabhoffnungen herbeigesehnte Beitritt zur EU für die Mehrheit der Bevölkerung nichts Grundlegendes verändert hat. Hinzu kommt der wirtschaftliche Abschwung, der sich immer deutlicher bemerkbar macht und auf den die Politik bislang ebenfalls keine Antworten zu geben vermochte.

Eine endgültige Sitzverteilung im Parlament steht noch nicht fest, da die Hälfte der 171 Sitze über Direktmandate vergeben wird. Wenn diese am übernächsten Sonntag nach Stichwahlen in etlichen Wahlkreisen feststehen, dürfte Staatspräsident Valdas Adamkus den Regierungsauftrag vermutlich an Andrius Kubilius, den Vorsitzenden der "Vaterlands-Union" geben. Der wird voraussichtlich versuchen, zusammen mit den von ihm bislang heftig bekämpften Sozialdemokraten eine "antipopulistische" Allianz auf die Beine zu stellen.

Ein gleichzeitig mit den Wahlen abgehaltenes Referendum über die Zukunft des AKWs Ignalina scheiterte an einer zu geringen Wahlbeteiligung. Nur 47,9 Prozent der Wahlberechtigten stimmten ab, mindestens 50 Prozent hätten es sein müssen. Dieses Referendum, mit dem vor allem gegenüber der EU versucht werden sollte, die breite Unterstützung in der Bevölkerung für einen Weiterbetrieb des Tschernobyl-Typ-AKW über 2009 hinaus zu demonstrieren, war sogar von Staatspräsident Adamkus als "Betrug" verurteilt worden. Denn die AKW-Stilllegung hatte Litauen bereits mit dem EU-Beitritt rechtsverbindlich zugesagt. Und Brüssel hat in der Vergangenheit mehrfach klargemacht, dass es an dieser Vereinbarung nichts zu rütteln gibt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.