Geschichte des Kosmetikkonzerns: L'Oréals braune Vergangenheit
Die ungeschminkte Firmengeschichte des Kosmetikkonzerns L'Oréal ist nicht gerade makellos. Der Gründer finanzierte einst rechtsextreme Kreise.
PARIS taz | Die Hauptaktionärin des Kosmetikkonzerns L'Oréal, die 87-jährige Liliane Bettencourt, macht derzeit Schlagzeilen wegen diskreter Spenden an französische Politiker. Die französische Öffentlichkeit ist schockiert. Dabei ist die heimliche Finanzierung politischer Aktivitäten eine Familientradition.
Das wird von dem sehr um sein Image und die saubere Ausstrahlung seiner Marken bemühten Konzern natürlich nicht herausgestrichen. Als im letzten Jahr mit Pomp am Firmensitz im früheren Industrievorort Clichy der hundertste Geburtstag des Weltkonzerns gefeiert wurde, überging man beim Jubiläum tunlichst gewisse Aspekte der Firmengeschichte, die bis zum Firmengründer Eugène Schueller und dessen Nachfolger André Bettencourt zurückreichen.
Ein Verehrer Hitlers
Diese Verdrängungsversuche waren vergebliche Mühe. Jetzt wird auf vielen Blogs in neuem Licht diskutiert, was vor allem der Wirtschaftshistoriker Jacques Marseille in seinem Buch "L'Oréal 1909-2009" und der Journalist Thierry Meyssan auf dem Forum voltairenet.org unter dem Titel "L'Histoire secrète de L'Oréal" (Die geheime Geschichte L'Oréals") bereits ausgegraben hatten: Der Elsässer Chemiker Eugène Schueller, der L'Oréal 1909 gegründet hatte, interessierte sich nicht nur für Kosmetik, sondern auch für die Politik. Er bewunderte Hitler und die Faschisten und unterstützte rechtsextreme Gruppen, die die parlamentarische Demokratie stürzen wollten.
Bereits in den 1930er Jahren schloss sich der Industrielle der extremen Rechten um den französischen Faschisten Eugène Deloncle an. Er finanzierte die aus der monarchistischen "Action française" hervorgegangene und viel radikalere Untergrundorganisation "La Cagoule" (Die Maske), die in Frankreich 1937 mit gezielten Mordanschlägen Angst und Schrecken verbreitete und einen gewaltsamen Sturz der linken Volksfrontregierung plante.
Zu den Sympathisanten dieser Kreise um die Verschwörer der "Cagoule" gehörte neben dem Mäzen Schueller auch eine Gruppe von Schülern eines katholischen Internats in der Pariser Rue de Vaugirard: Unter ihnen André Bettencourt, François Dalle und ein gewisser François Mitterrand, der 1981 als erster Sozialist zum Staatspräsidenten gewählt werden sollte.
Als nach der Niederlage und der Besetzung Frankreichs 1940 andere französische Nationalisten ins Exil gingen, um sich General de Gaulles "France libre" anzuschließen, finanzierte Schueller die Politik der Kollaboration mit den Nazis durch Parteien wie Mouvement National Révolutionnaire und Rassemblement National Populaire. Mit Bedauern schrieb er selber 1941 in einem Pamphlet mit dem Titel "La Révolution de l'économie": "Wir haben nicht dieselbe Chance gehabt wie die Nationalsozialisten bei ihrer Machteroberung 1933. Sie hatten zwei, drei Jahre, um sich zu organisieren. Wir haben nicht die Kaderleute, die sie damals hatten. Wir haben weder die Glaubensstärke des (deutschen) Nationalsozialismus noch die Dynamik eines Hitler, der alle vorantreibt."
Bei Kriegsende entging Schueller einer Verurteilung nur dank seiner Beziehungen zu Teilen der Widerstandsbewegung, namentlich der von Mitterrand gegründeten Organisation. Er machte auch geltend, französischen Juden bei der Flucht geholfen zu haben.
Fluchthelfer Mitterrands
In ähnlicher Weise wurde André Bettencourt vor der Schmach einer Anprangerung als Kollaborateur bewahrt. Er hatte 1940 bis 1942 das antisemitische Hetzblatt La Terre française herausgegeben, in dem er selber schrieb: "Die Juden, diese heuchlerischen Pharisäer, haben keine Hoffnung mehr. Sie sind erledigt. Ihr Glauben ist zerstört. […] Auf ewig ist ihre Rasse mit dem Blut des Gerechten befleckt."
Erst in den 1990er Jahren, als diese Zitate und seine Vergangenheit als Kollaborateur entdeckt wurden, leistete Bettencourt Abbitte für seine ideologischen Entgleisungen. Inzwischen hatte er, vermutlich auch hier dank der Vermittlung durch Mitterrand, eine Karriere als mehrfacher Minister, unter anderem als Außenminister, unter General de Gaulle und Georges Pompidou, absolviert.
Mit Mitterrand verband ihn eine gegenseitige Pflicht zur Dankbarkeit. Bettencourt hatte seinem Jugendfreund Mitterrand 1943 zur Flucht nach London verholfen, er wurde deswegen selber von der Gestapo festgenommen und setzte sich in die Schweiz ab; nach offizieller Geschichtsschreibung als Verbindungsmann der Widerstandsbewegung. Für seine Verdienste wurde Bettencourt als Held der Résistance ausgezeichnet.
In der Schweiz hatte er Schuellers an Tuberkulose erkrankte Tochter Liliane kennen gelernt, die er 1950 ehelichte. Als Schwiegersohn trat er in die Firmenleitung ein. Mitterrand, der dafür bekannt war, dass er nie einen Franc Bargeld in der Tasche hatte, sollte seine Freundschaftsdienste für Schueller und Bettencourt nicht bereuen. Er wurde 1945 Herausgeber des L'Oréal-Magazins Votre Beauté, gab diesen Journalistenjob aber 1946 auf, um sich ganz seiner Politikerkarriere zu widmen.
Bei dem Ehepaar Bettencourt blieb er ein stets gern gesehener Gast. Konzernleiter bei L'Oréal wurde der Dritte aus der Internatszeit an der Rue de Vaugirard, François Dalle, der die Firma nach Schuellers Tod 1957 in kurzer Zeit in ein Weltunternehmen verwandelte.
Filialleiter unter Franco
Schueller hatte sich noch selber nach Kriegsende rührend um andere ehemalige Gesinnungsfreunde gekümmert. Mehrere Weggefährten aus der Zeit der "Cagoule" und der Kollaboration verdankten ihm eine Karriere bei L'Oréal, sie leiteten Filialen in Spanien oder den USA. Der als Auftragsmörder der "Cagoule" berüchtigte und in Abwesenheit zum Tode verurteilte Jacques Filliol fand beispielsweise als L'Oréal-Vertreter in der Franco-Diktatur Aufnahme.
Zum Eklat kam es Anfang der 1990er Jahre in den USA. Das Office of Special Investigations, das gegen eingewanderte Kriegsverbrecher ermittelte, beschäftigte sich mit dem Fall des L'Oréal-Spitzenmanagers Joseph Corrèze. Auch er war ein Exmitglied der "Cagoule". Im Unterschied zu anderen Nazikollaborateuren hatte er nachweislich Blut an den Händen und sich außerdem als Freiwilliger an der Ostfront hervorgetan.
Er war darum nach seiner Festnahme einer Verurteilung im Jahr 1948 nicht entgangen, wurde aber in Frankreich im Rahmen einer Amnestie für Kollaborateure rehabilitiert. Dennoch musste er 1991 wegen dieses Skandals die USA überstürzt verlassen. Er starb 24 Stunden nach seinem Rücktritt als Ehrenpräsident einer L'Oréal-Filiale.
Vielleicht wären diese finsteren Kapitel aus der Firmengeschichte definitiv vergessen, hätte da nicht ein Butler im Hause Bettencourt Gespräche abgehört und aufgezeichnet, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Manchmal stoßen Journalisten bei Recherchen auf eine Laufmasche. Und dann führen Fragen über die Verfilzung zwischen Geld und Macht in die frühere Konzerngeschichte zurück, die bis dahin dank einem bisschen Kosmetik wie eine tadellose Erfolgsgeschichte ausgesehen hat.
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