Frauenrechte im Ost-Kongo: Mühsame Resolutionsarbeit

Sexuelle Gewalt ist ein Kriegsverbrechen. Aber wird sie auch geahndet? Eine Diskussion im Brüsseler EU-Parlament zur Lage im Ost-Kongo machte wenig Hoffnung.

Nach Schätzung des Menschenrechtsrats der UN sind allein im vergangenen Jahr über 8.000 Frauen im Ostkongo im Zuge kriegerischer Handlungen vergewaltigt worden. Bild: dpa

Nur wenige Europa-Parlamentarier werden wissen, dass der Name Brüssel so viel bedeutet wie "Wohnort im Sumpf". Das ist nicht weiter schlimm. Dass ein ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter des Auswärtigen Amtes bis vor kurzem glaubte, die UN-Resolution 1820 sei eine Cognac-Marke, hingegen schon. Diese Resolution nämlich wertet seit 2008 sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit oder Tatbestand eines Völkermords.

Nach konservativer Schätzung des Menschenrechtsrats der UN sind allein im vergangenen Jahr über 8.000 Frauen im Ostkongo im Zuge kriegerischer Handlungen sowohl von bewaffneten Milizen als auch von Militärangehörigen vergewaltigt worden. Lokale Organisationen gehen sogar von jährlich etwa 10.000 Fällen seit 1996 aus. Etwa zehn Prozent der Opfer sind nach Angaben der amerikanischen Anwaltskammer Männer.

Die Europa-Abgeordnete der Grünen, Barbara Lochbihler, hat vergangene Woche Gespräche mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der spanischen Ratspräsidentschaft und eine Anhörung im Unterausschuss für Menschenrechte initiiert, um die mangelhaften Aktivitäten der EU hinsichtlich der andauernden Massenvergewaltigungen im Ostkongo zur Sprache zu bringen.

Davide Zaru, Mitglied der Europäischen Kommission, Abteilung Menschenrechte, informierte über diverse Aktivitäten, Partnerorganisationen, Geldsummen und Gesprächsrunden, die die EU im politischen und im Sicherheits- und Gesundheitssektor des Kongo zur Prävention sexueller Kriegsverbrechen leiste. Der Vertreter der NGO Search for Common Ground (SCG), Abou Fassi-Fihri, berichtete von dem Projekt "Mobile Cinema", das mit dem Film "Fighting the Silence" durch den Ostkongo tourt. Auf "unterhaltsame Weise" werde in einer Mischung aus Liebesfilm und Dokumentation sexuelle Gewalt gegen Frauen thematisiert. Mehrere tausend Menschen im Ostkongo hätten den Film gesehen. Jeannine Mukanirwa zeigte sich im Interview mit der taz verwundert. "Von diesem Projekt habe ich noch nie gehört."

Jeannine Mukanirwa ist Vizepräsidentin von Paif (Promotion et Appui aux Initiatives Féminines), einer der ersten kongolesischen Frauenorganisationen, die seit 1994 vergewaltigte Frauen und Mädchen in den Kivu-Provinzen Ostkongos psychisch, sozial, juristisch, medizinisch und politisch betreut. Tatsächlich ist der Film "Fighting the Silence" laut Homepage der NGO im September 2008 im ostkongolesischen Bukavu aufgeführt und danach in verschiedenen Dörfern des Ostkongo gezeigt worden.

Wie viele solcher kleinen, von der EU finanzierten Projekte zur Prävention und Betreuung von Opfern sexueller Gewalt im Kongo engagiert sind und welche Wirkung sie haben, kann keiner genau sagen. "Alle diese Projekte sind für sich genommen richtig", sagt Monika Hauser, Gründerin der Frauenrechts- und Hilfsorganisation medica mondiale, die sich seit 1993 für traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten einsetzt und Paif als Partnerorganisation im Kongo unterstützt. "Aber es gibt keine Kooperation und Koordination. Es bedarf dringend einer Expertise der lokalen Akteure."

Jeannine Mukanirwa ist verärgert: "Ich möchte gerne wissen, nach welchen Kriterien die EU überhaupt vorgeht. Wer hat die 40 Millionen Euro erhalten, von denen der Kommissionsvertreter gesprochen hat? Von der angeblichen Unterstützung bei der Reform des Sicherheitssektors jedenfalls ist im Kongo nichts zu merken. Die Vergewaltigungen nehmen zu und nicht ab."

Jeannine Mukanirwa benannte als das dringendste Problem die Straflosigkeit der Täter. "Ohne politischen Druck von außen wird im Kongo niemand wegen sexueller Kriegsverbrechen verurteilt." Diesen Straftatbestand gibt es im Kongo seit 2006, doch erst nachdem die US-Außenministerin Hillary Clinton im vergangenen Jahr in Kinshasa die Bestrafung sexueller Kriegsverbrechen forderte, wurden einige Armeeangehörige verurteilt. "Auch unter den heutigen Machthabern sind Kriegsverbrecher", sagt Jeannine Mukanirwa.

"Deshalb muss es eine Studie über die Verbrechen von 1996 bis 2002 geben." Sie selbst, erzählt sie, hat vor den Wahlen 2006 mehrere Wochen im Gefängnis in Kinshasa und vier Jahre im politischen Exil in Kanada verbracht, weil sie kongolesische Armee- und Regierungsangehörige öffentlich angeprangert hatte. "Vergewaltigung wurde und wird von allen Seiten als Kriegswaffe eingesetzt", sagt sie. Im Kongo sprechen ihre Kolleginnen auch von "Femizid". Die Frauen werden brutal geschlagen, vergewaltigt und verstümmelt, um gezielt die jeweilige als Feind betrachtete Gemeinschaft auszulöschen.

"Kriegerische Sexualverbrechen haben mit der Resolution 1820 jeglichen Hauch von Kollateralschaden oder Kavaliersdelikt verloren", sagt Monika Hauser, Trägerin des Alternativen Nobelpreises. "Anders als zu Zeiten des Krieges in Bosnien haben wir jetzt UN-Resolutionen, die die Mitgliedstaaten ermächtigt, im Falle von als Kriegswaffe eingesetzten Vergewaltigungen zu intervenieren, und ein Internationales Kriegsverbrechertribunal, das derartige Verbrechen verurteilt." Doch mahnt sie bei der Anhörung vor dem Unterausschuss für Menschenrechte: "Was nützen all die schönen Richtlinien, wenn sie nicht umgesetzt werden?"

Allen voran die im Jahr 2000 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1325: Hier wurde zum ersten Mal verbindlich festgehalten, dass der Schutz von Frauen in Krisenregionen und deren politische Partizipation am Friedensprozess unterstützt werden müsse. Diese Resolution wird im Herbst zehn Jahre alt. "Dieser Geburtstag kann wegen der Zustände im Ostkongo nicht gefeiert werden", sagt Monika Hauser. "Es ist eine Schande für die Bundesrepublik, dass sich ein EU-Kommissar bei der Diskussion um die Fortschritte im Kongo damit herausreden kann, dass sich selbst die Bundesregierung seit Jahren weigert, einen Aktionsplan zu erstellen", sagt Hauser im taz-Gespräch. Erst neun EU-Staaten haben einen solchen "Aktionsplan" erstellt, in dem konkrete Schritte benannt werden, was zur Strafverfolgung und Prävention sexueller Kriegsverbrechen und für die Unterstützung von Frauen in politischen Friedensprozessen getan werden soll. Die spanische Ratspräsidentschaft betont, dass die Resolution 1325 für sie höchste Priorität genieße. Wie mühselig Menschenrechtspolitik in der EU ist, kann man daran sehen, was dort höchste Priorität heißt: Innerhalb dieses Jubiläumsjahres soll ein Bericht über die Aktivitäten im Sinne der Resolution erstellt werden.

Barbara Lochbihler schlug am Ende der Anhörung vor, dass der Menschenrechtsausschuss eine Resolution erarbeiten solle, die dafür sorge, dass die Resolution 1325 endlich umgesetzt wird. Die portugiesische EP-Abgeordnete Anna Gomes forderte eine gemeinsame Mission von NGOs und UNO und die Vertreterin der spanischen Ratspräsidentschaft Beatriz Lorenzo die Schaffung einer Anlaufstelle für Opfer sexueller Kriegsverbrechen in den Botschaften. Alles wurde fleißig mit- und aufgeschrieben und trotzdem wird es wohl noch etliche Anhörungen und Gesprächsrunden dauern, bis Jeannine Mukanirwa sich bei der EU für die wirkungsvolle Unterstützung bedanken kann.

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