Mord oder Selbstmord in Belgien: Mysteriöser Tod eines Illegalen

Ein illegaler Einwanderer aus Kamerun protestiert in Belgien erfolgreich gegen seine Abschiebung per Flugzeug. Wenige Tage später wird er erhängt aufgefunden.

Seine Abschiebung per Flugzeug konnte Folefack noch verhindern - ein paar Tage später war er tot. Bild: dpa

BERLIN taz Ebenizer Folefack Sontsa kam 2005 aus Kamerun nach Belgien. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Im Februar diesen Jahres wurde der 32-Jährige in Brüssel festgenommen und kam ins Abschiebegefängnis Merksplas im Norden Flanderns. Am 1. Mai wurde er dort tot aufgefunden, aufgehängt an einem Bettlaken in einer Toilette.

Was die Behörden erst als Selbstmord abbügelten, hat sich zu einer politischen Affäre entwickelt. Eine Gruppe in Belgien lebender Kameruner hat Klage gegen den belgischen Staat und die Fluglinie SN Brussels eingereicht. Die Staatsanwaltschaft hat eigene Ermittlungen eingeleitet. In kamerunischen Exilkreisen kursiert die Überzeugung, Folefack sei umgebracht worden. Eine Autopsie sollte gestern zumindest die Frage "Mord oder Selbstmord" klären.

Denn am 26. April sollte Folefack eigentlich abgeschoben werden, per Linienflug der SN Brussels ins kamerunische Duala. Auf den Maschinen aus Brüssel über Duala ins kongolesische Kinshasa sitzen sehr häufig Abschiebehäftlinge, immer in der Mitte der letzten Reihe, umgeben von mehr oder weniger freundlichen Polizisten und Sanitätern, die andere Passagiere erst dann in die Nähe lassen, wenn das Flugzeug sicher in der Luft ist, und bis dahin den Häftling möglichst unsichtbar und unhörbar machen.

Am Vormittag des 26. April protestierte Folefack lautstark gegen seine Abschiebung, als die anderen Passagiere an Bord kamen. Einige Fluggäste weigerten sich, unter solchen Umständen zu reisen, und erzwangen den Abbruch der Abschiebung. Folefack kam zurück nach Merksplas, ein Hochsicherheitsbau aus Backstein hinter Stacheldraht.

Unüblicherweise wurde auch der Wortführer der protestierenden Passagiere verhaftet. Serge Fosso erhebt in einem Gedächtnisprotokoll, das er selbst im Internet verbreitet hat, schwere Vorwürfe. Er sei mit einem weiteren Kameruner und einem Weißen von Polizisten in Zivil als Rädelsführer identifiziert worden. "Die Polizisten bitten uns, die Maschine zu verlassen. Als ich frage, warum, werfen sie sich auf mich, ich kriege Handschellen angelegt und Schläge hier und da, ich blute, ich werde durch das Flugzeug und die Stufen entlanggezerrt und in das Polizeifahrzeug geworfen." Fosso sei den ganzen Tag festgehalten und mit einem sechsmonatigen Flugverbot belegt worden.

Der Abschiebehäftling Folefack selbst soll, so seine Anwälte, bei der gescheiterten Abschiebung so schwer misshandelt worden sein, dass er nicht in der Lage gewesen sein kann, sich wenige Tage später selbst aufzuhängen. Polizisten hätten auf seinem Hals gekniet, er habe bei der Rückführung in die Abschiebehaft seinen Kopf nicht mehr bewegen können, heißt es.

Eine Bekannte, die Folefack zwei Tage nach der gescheiterten Abschiebung besucht haben will, beschreibt ihn als "müde und leidend, mit vielen Schmerzen und Wunden". Am Abend des 30. April habe sie mit ihm telefoniert. Er habe ihr berichtet, er warte auf die Antwort auf einen neuen Brief an die Asylbehörde und werde am nächsten Tag wieder anrufen. Stattdessen erhielt sie am 1. Mai die Nachricht, Folefack habe sich erhängt. "Ich kann das nicht glauben", erzählt sie auf einer Internetseite kamerunischer Exilierter in Belgien. Kommentatoren auf dieser Webseite bezweifeln das allerdings, denn laut Presseberichten brachte die Polizei Folefack nach seiner gescheiterten Abschiebung in Isolationshaft.

Die belgische Migrantenvereinigung CRER macht geltend, Folefack hätte mit seiner baldigen Legalisierung rechnen können - die Regierung von Premierminister Yves Leterme bereitet einen Gesetzentwurf vor, der Aufenthaltsgenehmigungen für illegale Einwanderer auf der Grundlage "dauerhafter Verwurzelung" in Belgien möglich macht. Die Einzelheiten sollen am 20. Mai bekannt gegeben werden. Derweil, sagen Migrantenorganisationen, nimmt die Verfolgung von Illegalen zu. Am 29. April wurden 130 Demonstranten, fast alles illegale Einwanderer, vor der Ausländerbehörde in Brüssel festgenommen, als sie versuchten, eine Zeltstadt zu errichten. Mehrere kamen in Abschiebehaft. Am Montag kam es zu neuen Demonstrationen, um ihre Freilassung zu erwirken, und die Affäre Folefack sorgte für verstärkte Mobilisierung.

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